Hannah Lühmann: „Auszeit“ – Von Werwölfen und einem ungeborenen Kind
Frankfurter Rundschau
In ihrem Debütroman „Auszeit“ schickt Hannah Lühmann ihre aufgewühlte Ich-Erzählerin aus Berlin auf einen Selbsterfahrungstrip in den Bayerischen Wald.
Der erste Satz kommt gleich zur Sache. An einem Frühlingsdienstag fährt die Protagonistin Henriette in eine Klinik, um ihr Ungeborenes („mein Kind“) abzutreiben. Wenige Seiten später beginnt die titelgebende „Auszeit“. In schönen längeren Passagen - Stichwort: Entschleunigung - beschreibt die Mittdreißigerin zunächst ihre Streifzüge durch den Bayerischen Wald: Die Geräusche, die Gerüche, die Bewegung, das Licht, die Pflanzen rühren ihr Inneres, und ein Spaziergang endet in emotionaler, fast orgasmischer Ekstase.
Insgesamt aber geht es Henriette schlecht, sie quält sich aus verschiedenen Gründen. Gemeinsam mit ihrer langjährigen Freundin Paula erhofft sie sich, durch Natur, Spa-Abende und Sport, Yoga und Meditation, gesunde Speisen und Selbsterfahrung den Kurs in ihrem Leben wiederzufinden. Man gönnt sich zum Nachtisch Apple-Crumble, aber nimmt sich doch ein bisschen was zu Arbeiten mit - wie Henriette ihre Dissertation.
Dass sie in ihrem Kopf gefangen bleibt, macht sich auch formal bemerkbar: Im Fluss ihrer ehrlichen Innensicht sind wörtliche Reden kursiv abgesetzt. Hannah Lühmann schreibt fast durchgehend einen Inneren Monolog, das muss so sein, denn so schonungslos wehleidig würde sich wohl kaum jemand seinem Umfeld offenbaren. Für Henriette dreht sich scheinbar alles um sie selbst - das stellt auch Paula fest.