Für weibliche Föten bleibt in Vietnam nur das Massengrab
n-tv
Bis zu 1,6 Millionen Schwangerschaftsabbrüche gibt es in Vietnam pro Jahr. Darunter sind besonders viele weibliche Föten. Dabei ist die geschlechtsspezifische Selektion illegal - zumindest auf dem Papier.
Nguyen Thi Nhiem hockt vor ihren Gräbern und zündet Räucherstäbchen an. Geschmückt sind die Ruhestätten mit Sonnenblumen aus Plastik und Wildpflanzen, die unter der warmen Sonne Vietnams vertrocknet sind. Aber dies ist kein normaler Friedhof: In kleinen, rechteckigen Tongefäßen werden hier - im Ort Ben Coc nördlich von Hanoi - ausschließlich winzige Lebewesen beerdigt, die nie auf der Erde gelebt haben.
Und davon gibt es in Vietnam viele. Sehr viele. Das Land hat UN-Statistiken zufolge seit Jahren eine der höchsten Abtreibungsraten der Welt. Damit die Föten nach dem Schwangerschaftsabbruch einen würdigen Bestattungsort bekommen, hat Nguyen Thi Nhiem vor 16 Jahren nahe eines Reisefelds Land gekauft und in einen Friedhof für ungeborenes Leben verwandelt. Hier betet sie für die Seelen der ungewollten Kinder.
Heute umfasst die Begräbnisstätte rund 1800 Quadratmeter, auf denen mehr als 240.000 Föten in Massengräbern beerdigt sind. 80 Prozent waren zwischen einem und drei Monaten alt, aber viele auch älter. "Jeden Tag erhalte ich 15 bis 20 Föten, von denen einige von ehrenamtlichen Studenten auf den Friedhof gebracht werden. Andere holt mein Mann in umliegenden Krankenhäusern und Kliniken ab", erzählt die 64-Jährige.