Akustischer Frontalunterricht
Süddeutsche Zeitung
Ein Misstrauen gegen neue Welten wird am Eröffnungsabend der Isarphilharmonie spürbar. Trotz mangelndem Akustikglück passt der neue Konzertsaal aber bestens zum speziellen Münchner Charme.
Der Münchner Charme ist eine ästhetisch und philosophisch für Fremde schwer fassbare Kategorie. Weil sich in ihm Widersprüchlichstes bruchlos zusammenfügt: das Faible für Bierfeste (in Nichtseuchenzeiten wäre die Wiesn vor einer Woche zu Ende gegangen), für den notorischen Widerspruchsgeist der CSU, für den für pralle Frauenakte bekannten katholischen Barockmaler Peter Paul Rubens, für eine schillernde Halbprominenz, für die Sechziger (ein beliebter erfolgloser Fußballclub) sowie eine Leidenschaft für traditionelle klassische Musik. Zu diesem Münchner Charme passt daher bestens, wenn in einer ehemaligen Fabrikhalle, in der einst Trafos produziert wurden und die ihren Arbeitercharme keineswegs versteckt, 1900 festlich und fast nur in Schwarz gekleidete Menschen erwartungsfroh herumstehen und gleich erstmals in die neu gebaute Isarphilharmonie daneben strömen werden. Die Akustik in dieser 100 Jahre alten Trafohalle nah an der herbstliche Feuchtdünste aussendenden Isar unweit des Flauchers ist wunderbar. Die Gesprächsklangkulisse bleibt angenehm murmelig, knallt und wabert nicht. Aber das interessiert niemanden.