Wagner-Chef Prigoschin wollte wohl russische Truppen verraten
Frankfurter Rundschau
Geleakte Dokumente lassen vermuten, dass Jewgeni Prigoschin Anfang Januar einen Deal mit der Ukraine abschließen wollte. Eine Expertin äußert sich.
Kiew/Moskau – Immer wieder stichelt Jewgeni Prigoschin im Ukraine-Krieg gegen das russische Verteidigungsministerium. Nun legen Geheimdienstinformationen nahe: Der Chef der Wagner-Gruppe wollte offenbar einen Tauschhandel mit der Ukraine abschließen. Informationen sollten gegen einen Truppenrückzug der Ukrainer getauscht werden. Was steckt dahinter?
Wie die Washington Post berichtet, habe Wagner-Chef Prigoschin dem ukrainischen Geheimdienst im späten Januar angeboten, Positionen russischer Truppen preiszugeben. Im Gegenzug soll der Anführer der Söldner-Truppe gefordert haben, dass die Ukraine ihre Truppen aus der Stadt Bachmut abziehe. Dort musste die Wagner-Gruppe zuletzt schwere Verluste hinnehmen. Welche Truppen Prigoschin verraten wollte, ist offenbar nicht bekannt.
Die Washington Post bezieht sich in ihren Berichten auf Informationen des US-Geheimdiensts, die im April auf der Plattform Discord geleakt worden waren. Zwei ukrainische Offiziere bestätigten zudem gegenüber der Zeitung, dass Prigoschin das Angebot mehrfach unterbreitet habe. Kiew habe abgelehnt, da man dort dem Wagner-Chef nicht traue. Wolodymyr Selenskyj bestätigte die Kontakte zu Prigoschin in einem vorangegangenen Interview nicht. Auch der Kreml reagierte nicht auf eine Anfrage der Zeitung.
Wollte Prigoschin die russischen Truppen tatsächlich verraten? Ein ukrainischer Beamter ordnete die Kontakte eher als „sei deinen Freunden nah, aber deinen Feinden noch näher“ ein. Es sei nicht unüblich, dass Gegner in Kriegszeiten eine gewisse Form der Kommunikation aufrechterhielten, so die Zeitung.
Nichtsdestotrotz scheint Wagner-Chef Prigoschin für den Kreml zunehmend zum Problem zu werden. Er beschimpft die Führung in Moskau und lamentiert bereits seit Wochen, dass seinen Truppen, die stark in den Kampf um Bachmut eingebunden sind, die Munition fehle. Seinen Söldnern um Bachmut drohe die Einkesselung. „Sie haben uns einfach und dreist getäuscht“, wurde eine seiner Telegram-Nachrichten übersetzt. Zuletzt drohte Prigoschin, seine Truppen abzuziehen.