Russland will Geschlechtsangleichung verbieten – wohl aus Sorge, Männer könnten sich vor Einberufung drücken
Frankfurter Rundschau
Ein Gesetzentwurf in Russland fordert, chirurgische Änderung des Geschlechts zu verbieten – offenbar um gegen Wehrdienstverweigerer vorzugehen.
Moskau – Fast 400 Mitglieder der Staatsduma, des Unterhauses des russischen Parlaments, standen hinter den vorgeschlagenen Änderungen der bestehenden Gesetzgebung. Der Gesetzesentwurf, der am Dienstag (30. Mai) in Russland eingebracht wurde, will „medizinische Eingriffe zur Änderung des Geschlechts einer Person“ verbieten. Das teilte einer der Mitverfasser des Entwurfs, Pjotr Tolstoi, auf seinem Telegramm-Kanal mit.
Eine Ausnahme sieht der Gesetzesentwurf lediglich für Operationen zur Behandlung von angeborenen Anomalien bei Kindern vor. Der Vorschlag sei zum Teil aufgrund von „Mobilisierungshindernissen“ für Russlands Armee eingereicht worden. So berichtet unter anderem die unabhängige lettische Nachrichtenagentur Meduza.
Russische Staatsbeamte hätten demnach angedeutet, dass solche Operationen die Verteidigungsfähigkeit des Landes inmitten des Ukraine-Krieges beeinträchtigen könnten. Ein anonymes Mitglied der Staatsduma sagte gegenüber der russischen Zeitung Kommersant bereits am 3. Mai, dass es wohl „immer wieder zu Vorfällen“ komme, bei denen Männer ihr Geschlecht ändern wollten, um der Einberufung zu entgehen.
„Viele junge Menschen haben sich an Privatkliniken gewandt, um eine Geschlechtsumwandlung zu beantragen, um der Einberufung zu entgehen“, so der Gesetzgeber. Der unabhängige Nachrichtendienst Mediazona berichtet unter Berufung auf Daten des russischen Innenministeriums, dass die Zahl der Russen, die nach einer chirurgischen Geschlechtsumwandlung einen neuen Pass erhielten, im Jahr 2022 tatsächlich drastisch gestiegen sei.
Im Jahr 2020 wurden demnach 428 neue Pässe im Zusammenhang mit einer Änderung der Geschlechtszugehörigkeit ausgestellt, 554 im Jahr 2021 und 936 im Jahr 2022, so der Bericht. Einen bemerkenswerten Anstieg habe es dabei ab März 2022 gegeben, unmittelbar nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine.