Regisseur Klaus Lemke ist tot –Kino kommt von Küssen
Frankfurter Rundschau
Zum Tod des unkorrumpierbaren Filmemachers Klaus Lemke, der 81 Jahre alt wurde.
Wer als Filmemacher seine besten Darsteller und Darstellerinnen auf der Straße findet, muss dabei nicht unbedingt dem Ernst des italienischen Neorealismus nacheifern. Klaus Lemke fand eine andere Wahrheit in seinen vielen, meist ungemein unterhaltsamen Filmen. Etwas Italienisches hatten sie dennoch. Als er Mitte der sechziger Jahre seine ersten Kurzfilme drehte, pulsierte in ihnen das Lebensgefühl der Schwabinger dolce vita ohne zwischengeschalteten Kunstfilter. Später konnte man den Eindruck gewinnen, dass es nur noch bei Lemke lebendig blieb, dass er mit seinen Entdeckungen wie Cleo Kretschmer, Dolly Dollar oder Iris Berben als letzter die wahre Bohème verkörperte.
Mit Verachtung blickte er auf die anderen Münchner rund um Alexander Kluge, die Unterzeichner des Oberhausener Manifests. Mit der von ihnen initiierten Filmförderung wollte er so wenig zu tun haben, wie mit den Weihen der akademischen Filmkritik. Dafür machte er bis zu seinem letzten Atemzug Filme, in denen man spüren konnte, warum man vielleicht einmal überhaupt erst auf den Gedanken kommt, Filme zu machen: Aus der puren Freude, es zu tun. Aus Liebe.
Das hatte sehr viel zu tun mit jener Verwandlung aus dem unscheinbaren in ein glanzvolleres Leben, das der frühere Asphaltierer und abgebrochene Kunstgeschichtsstudent in seinem Leben bewiesen hatte. Doch so sehr seine Filmfiguren ihrer eigenen Verwandlung nachjagten, so sehr blieben sie sie selbst: Die Jetset-Gangster in seinem ersten Langfilm „48 Stunden bis Acapulco“ (1967), der glücklose Fotograf, der in „Negresco“ hofft, sich mit der richtigen Frau in die High Society zu schlafen, oder der talentlose Autor im Spätwerk „3 Kreuze für einen Bestseller“ (2011).
Auch die wunderbaren Frauenfiguren, die Lemke erfand, ließen sich nicht verbiegen – wie Cleo Kretschmers Gemüsehändlerin in „Amore“, die einen Schmalspur-Casanova in die Schranken weist.
Lemkes Spiel mit der Coolness überzeugte, weil er selbst der Coolste war – und unendliche Sympathien für jene hatte, die sich weniger glücklich daran versuchten. Unermüdlich warnte er vor den korrumpierenden Effekten von Filmfördergremien und Fernsehredaktionen. Dafür hielt er schon einmal Berlinale-Premierengästen den nackten Hintern entgegen. Oder kam sogar ins verhasste Oberhausen, das er Obergrausen nannte. Jedenfalls bis sie ein Musikvideo von ihm im Programm zeigten. 2015 gewann er dort den MuVi-Preis für „Lost and Found“ zur Musik von Mouse on Mars und Eric D. Clark.