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Molière: Der Witz und der Zugang zum Machthaber
Frankfurter Rundschau
Bemerkungen zu Molière, der vor 400 Jahren geboren wurde und die bürgerliche Komödie hinein erfand ins Barocktheater.
Am 15 Januar 1622 wurde Molière geboren. Nichts in diesem Satz stimmt. Am 15. Januar 1622 wurde Jean-Baptiste Poquelin, der sich später Molière nannte, geboren. Auch das ist falsch. Sicher ist, dass Jean-Baptiste Poquelin am 15. Januar 1622 getauft wurde. Ob er auch am selben Tag geboren wurde, darüber streiten sich die Molièristen. Molière nannte sich übrigens niemals Molière. Seit dem 28. Juni 1644 unterschrieb er Verträge gerne mit de Moliere oder de Molliere. Unter Komödianten war das de vor einem oft ganz beliebigen Ortsnamen ein beliebtes Pseudonym. In Frankreich gab es damals Hunderte Flecken, die Molieres hießen. Es handelte sich um sumpfiges Terrain, „Feuchtgebiete“ um mit Charlotte Roche zu sprechen.
Und Molière? Der Accent grave war noch nicht erfunden. Molières Konkurrent Pierre Corneille (1606 -1684) hatte 1663 begonnen, den Accent grave zu verwenden. Er ersetzte Doppelkonsonanten. Also statt fidelle fidèle. Oder Molière statt Molliere. De Moliere war freilich auch der Name des 1624 im Alter von nur 24 Jahren ermordeten François-Hugues de Moliere, sieur d’Essertines. Er war ein am Hof der Maria von Medici und des jungen Ludwig XIII. sehr geschätzter Mann, der ein paar Verse und den Roman „Polyxena“ veröffentlicht hatte. Der Name der trojanischen Prinzessin bedeutet „viele Fremde beherbergend“. 1644 erschien er in einer Neuauflage. Viele Fremde zu beherbergen hatte Moliere sich vorgenommen: Die bekanntesten unter ihnen sind Tartüffe, der eingebildete Kranke, der Geizige, der Misanthrop. Aber natürlich auch die lächerlichen Preziösen und die gelehrten Frauen.
Molière – ich verwende jetzt stets diesen Namen – stammte aus gutem bürgerlichen Hause. Er bekam eine gründliche klassische Ausbildung in einem Jesuitenkolleg. Er studierte auch Jura. Als ältester Sohn sollte er in die Fußstapfen seines Vaters treten. Der hatte nicht nur einen Beruf, sondern auch ein Amt. Er war Händler für Heimtextilien (tapissier). 1631 gelang es ihm, das Amt eines königlichen Raumausstatters zu kaufen. Das Amt war nicht nur einträglich, sondern es verschaffte Molières Vater auch Zugang zum Hof und damit zu neuen Aufträgen. Als Molière sich entschloss, Komödiant zu werden, übernahm sein jüngerer Bruder seinen Platz in der Thronfolge der königlichen Raumausstatter. Als der starb, arrangierte sich Molière mit dem König, so dass er ein paar Jahre nicht nur Komödien schrieb und spielte und königliche Feste ausrichtete, sondern auch das Amt behalten durfte.
Molières künstlerische Karriere begann mit einer Fehlinvestition. Die Theatergruppe, die er 1643 zusammen mit seiner Lebensgefährtin Madeleine Béjart und einigen ihrer Familienmitglieder gründete, machte bankrott. Einige der Truppe gaben auf, andere verließen Paris und schlossen sich einer Gruppe an, die durch Frankreichs Provinzen reiste und mal in größeren Städten, mal in winzigen Weilern ihre Zelte aufschlug.
Molière nahm sich Zeit. Er war einundzwanzig, als er das erste Mal mit der Schauspielerei begonnen hatte, mit dreißig hatte er seine eigene Wanderbühne. Mit 33 schrieb er sein erstes großes fünfaktiges Theaterstück, berühmt wurde er mit 37 und er war schon vierzig, als er heiratete. Die Glückliche hieß Armande Béjart, war mehr als zwanzig Jahre jünger als Molière und firmierte als Schwester seiner ehemaligen Lebensgefährtin Madeleine Béjart, war aber wohl ihre – und womöglich auch seine – Tochter.