Lisa Wulff „Sense And Sensibility“: Umschaltspiele
Frankfurter Rundschau
Lisa Wulff und ihr überraschendes Quartett-Album „Sense And Sensibility“.
Das Wort „Sopranbass“ scheint einen kleinen Widerspruch zu enthalten. Aber es ist, andererseits, einfach der Name eines Musikinstruments. Wenn Lisa Wulff, die im gegenwärtigen Jazz sonst eher als Kontrabassistin unterwegs ist, ihn spielt, klingt der Sopranbass weich wie eine Gitarre mit Darmsaiten, und er ermöglicht viele Soundeffekte, die die innere Weiträumigkeit der Musik unterstreichen.
Lisa Wulff spielt nicht nur die Bässe – Kontra- und Sopran- – auf ihrem neuen Album, sie singt auch. Außerdem hat sie fast alle Stücke – bis auf „Don’t Know Why“, das von Norah Jones stammt – und die meisten Texte selbst geschrieben. Trotzdem handelt es sich nicht um ein Singer-Songwriter-Album.
Genau genommen setzt jedes Stück neu an, so dass sich ein vielgestaltiger Horizont ergibt und in der Summe eine sehr eigensinnige Angelegenheit. Und wenn man landläufige Erwartungen an Musik richtet und alles am liebsten nach Genres sortiert hätte, dann ist das Album ein durchaus hybrides Gebilde geworden. Also kein Jazz-Gesangs-Album und auch kein Singer-Songwriter-Album. Sondern von allem etwas und noch viel mehr.
Das Titelstück zum Beispiel ist ein improvisiertes und rein instrumentales Zwischenspiel von gerade liedhafter Länge. Bei dem Eröffnungsstück „Captain of My Soul“ handelt es sich um die Vertonung eines Gedichts der kanadischen Lyrikerin Marjorie Pickthall. Man hört viel zeitgenössischen Jazz mit eher melodischen als energetischen Akzentsetzungen. Aber es gibt auch immer wieder das, was man im Fußball gern „schnelles Umschaltspiel“ nennt. Man hört ausgedehnte und klanglich vielschichtige Gruppenimprovisationen und schön intonierte, zum Teil mehrstimmige Gesangspassagen.
Ein Stück mit Namen „MCQ“ (die Abkürzung für multiple choice question) bietet eine schwungvolle Flöten-Schlagzeug-Improvisation. Es gibt zwei bemerkenswerte Holzbläser (Adrian Hanack, Gabriel Coburger), zu denen sich zuweilen Lisa Wulffs Stimme sehr instrumentell gesellt; es gibt einen wunderbar sanglich und immer wieder unerwartet klingenden Posaunisten (Stefan Lottermann) und einen Schlagzeuger, der nicht nur groovt, wenn es etwas zu grooven gibt, sondern auch mit einer weiträumigen und kleinteiligen Klangfantasie ausgestattet ist. Weshalb er auch für das abschließende Sounddesign des Albums verantwortlich ist.