Keine Strafe nach Gewaltorgie rechter Burschenschafter – Polizist hat Erinnerungslücken
Frankfurter Rundschau
Prozess gegen drei rechter Burschenschafter vor dem Amtsgericht Marburg endet mit Freisprüchen und Bewährung. Dazu geführt hat auch nachlässige Polizeiarbeit.
Marburg – Nachlässige Polizeiarbeit hat dazu geführt, dass der brutale Angriff rechter Burschenschafter auf das Haus einer liberaleren Studentenverbindung in Marburg ungesühnt bleibt. Das Amtsgericht der Universitätsstadt sprach am Dienstag (28. Februar) drei Angeklagte aus dem extrem rechten Burschenschaftermilieu vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs und der gemeinschaftlichen Sachbeschädigung frei. „Es mag sein, dass Sie dabei waren“, sagte Richterin Melanie Becker. Aber es habe sich nicht beweisen lassen.
Auf den unscharfen Bildern einer Überwachungskamera war zu sehen, welch martialischer Anblick sich in jener Juni-Nacht des Jahres 2020 geboten hatte. Rund ein Dutzend Männer, vermummt und mit Eisenstangen oder Schlagstöcken bewaffnet, einer von ihnen in einer Wehrmachtsuniform, die anderen in einer Art Trachtenlook, stürmten auf das Haus der Frankonia zu – einer Korporation aus dem liberalen Schwarzburgbund, die sich klar gegen rechts positioniert. Und die der benachbarten Burschenschaft Germania, einem Mitgliedsbund des völkisch-nationalistischen Dachverbands Deutsche Burschenschaft, darum schon lange ein Dorn im Auge sind.
Wie man hier auf die Frankonen schaut, hatte der Angeklagte Nicolas K. gut eine Stunde vor dem Sturm auf deren Haus sehr klar gemacht. Bei einer zufälligen Begegnung am Zigarettenautomaten, so stellte das Gericht in seinem Urteil fest, habe der 30-Jährige, der damals noch Mitglied der Germania war, die verachteten Nachbarn unter anderem als „Schwuchteln“, „Judensäue“ und „Zecken“ tituliert. Und er habe mit einem Anruf dafür gesorgt, dass kurz darauf ein ganzer Haufen Burschenschafter den Frankonen nachsetzte, es gab Schläge und Geschubse. „So einen Hass habe ich noch nicht erlebt“, erinnerte sich ein Angehöriger der Frankonia.
Nicolas K. wurde deshalb nun wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Als Einziger. Der mitangeklagte Germane Heinrich M., ehemals hessischer Regionalleiter der extrem rechten „Identitären Bewegung“, war zwar von Nicolas K. angerufen worden, als der wegen der „Zeckenaction“ um tatkräftige Unterstützung bat. Aber dass der 26-Jährige der Aufforderung auch persönlich Folge leistete, ließ sich nach Ansicht des Gerichts nicht beweisen.
Ebenso wenig wie die Beteiligung aller drei Angeklagten an dem rechten Rollkommando, das wenig später in das Haus der Frankonia eindrang und das gesamte Erdgeschoss verwüstete. Einer der Angreifer wurde anschließend zwar auf der Straße von einem Passanten gestoppt, als er gerade mit erhobenem Schlagstock auf einen Zeugen losging. Doch selbst daraus erwuchs ihm nun keine Verurteilung.