
Habeck macht sich frei - und tritt zum Abschied nach
n-tv
Lange erwartet und nun vollzogen: Robert Habeck verabschiedet sich mit reichlich persönlicher Kritik aus der Bundespolitik. Das Ende einer der spannendsten politischen Karrieren der vergangenen Jahre weist über das persönliche Scheitern eines großen Charismatikers weit hinaus.
Nicht einmal bei den Grünen weint Robert Habeck noch jemand eine Träne nach. Die linke Parteihälfte war ohnehin nie überzeugt von seinem unbedingten Mitte-Kurs, der den Grünen so viele Kompromisse bei den Identitätsthemen Klimaschutz und Asyl abverlangt hatte. Im Lager der grünen Habeck-Fans wiederum sind die Tränenkanäle längst versiegt. Das Werben um den Norddeutschen - im Wissen um das Fehlen ähnlich charismatischen Nachwuchses - hatte spätestens im Juni ein Ende gefunden. Es fand sich einfach keine sinnstiftende Rolle, die den nun einfachen Bundestagsabgeordneten Habeck vom Weitermachen überzeugt hätte. Und so wählt dieser eine Lösung, die an seine Anfänge als der etwas andere Typ Politiker erinnert: Habeck macht sich frei und kehrt der Bundespolitik den Rücken zu.
Der 55-Jährige hätte auch den einfachen Weg wählen können: etwas Außenpolitik machen, es sich gutgehen lassen auf den zahlreichen Abendveranstaltungen in der Hauptstadt, hier und da bissig die Tagespolitik kommentieren und auf den Ruf seiner Partei warten, doch noch einmal als Kanzlerkandidat anzutreten. Wer weiß schon, welche Chancen sich Habeck geboten hätten, sollte auch Schwarz-Rot zeitnah scheitern? Doch Habeck hat, das macht er im Abschiedsinterview mit der "taz" deutlich, den Glauben an sein eigenes politisches Projekt verloren.
"Die Erfahrung im Ministeramt sagt mir, dass die Gesellschaft vielleicht gar keine Mitte hat (...)", lässt Habeck wissen. Ein halbes Jahr nach der gescheiterten Bundestagswahlkampagne zeigt sich der ehemalige Bundeswirtschaftsminister noch immer tief enttäuscht über den politischen Zustand des Landes. Und er zeigt sich noch immer genauso ratlos, wie man diesen ändern könnte. Da ist er lieber konsequent und orientiert sich gänzlich neu. Er ist ja vergleichsweise jung und muss auch für die Zukunft gar nichts ausschließen. Habeck wird jetzt an Universitäten lehren, neue Podien testen und er wird sich und die Welt erforschen. Als Minister hatte er oft bedauert, dass er während seiner vielen Auslandsreisen bestenfalls kurze Eindrücke von den vielen, teils exotischen Orten gewinnen konnte.
