Erdogans Zahlen in der Kritik: Trickst der Präsident vor der Türkei-Wahl?
Frankfurter Rundschau
Das unabhängige Wirtschaftsforschungsinstitut Ena Grup sieht die Inflation in der Türkei doppelt so hoch wie angegeben - keine guten Nachrichten für Erdogan kurz vor der Wahl.
Ankara - Das staatliche türkische Statistikbüro TÜIK steht seit langem in der Kritik. Grund dafür sind die von der Behörde angegebenen Inflationszahlen und deren Diskrepanz zu den Zahlen anderer unabhängiger Wirtschaftsinstitute. Während die TÜIK die Teuerungsrate mit 44 Prozent angibt, berechnet das Wirtschaftsforschungsinstitut „Ena Grup“ diese mit 105 Prozent.
Nach eigenen Angaben liegen der Ena Grup für ihre Berechnungen dieselben Zahlen vor wie der staatlichen Behörde. Diese ergeben sich aus dem Handel von Waren und Dienstleistungen in der Türkei. „Wir haben uns bislang kontinuierlich bemüht, der Öffentlichkeit reale Inflationsdaten zu liefern“, teilt das Unternehmen auf Twitter mit. Dabei seien sie von der TÜIK „ständig schikaniert und mehrfach verklagt“ worden. „Derzeit sind alle Gerichtsverfahren zugunsten von ENAG entschieden worden“.
In der Erklärung kritisiert die ENA Group die Zahlen der staatlichen Behörde. „Die Lebenshaltungskosten werden in den Daten eindeutig nicht widergespiegelt. Eine der wichtigsten Aufgaben des Staates ist es, die Öffentlichkeit korrekt (mit Statistiken) zu informieren“.
Auch Oppositionspolitiker kritisieren die Statistikbehörde für ihre Zahlen und ihre Nähe zur Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan. „Die TÜIK veröffentlicht unrealistische Zahlen“, sagt der Oppositionspolitiker ÖmerFaruk Gergerlioglu (HDP) in einer Pressekonferenz. „Niemand glaubt den Zahlen der TÜIK“.
Der ehemalige Wirtschaftsminister und Vorsitzende der oppositionellen Deva Partisi, Ali Babacan, veranschaulichte in einer Wahlkampfrede die Inflation: „Im Jahr 2009 waren 200 TL 134 Dollar wert. Heute sind sie nicht einmal mehr 10 Dollar wert. Wer hat von diesen 200 Lira in jedermanns Tasche 124 Dollar gestohlen“? Die Inflation in der Türkei sei zu einer Qual geworden. Während die TÜIK die aktuellen Inflationszahlen mit 43,68 Prozent angibt, kommt die Ena Grup bei ihren Berechnungen auf 105.19 Prozent.