
Die unbekannte Welt der Slums
Frankfurter Rundschau
In Slums leben viele Millionen Menschen. Aber die informellen Siedlungen sind kaum erforscht. Ein Wissenschaftler der TU Darmstadt will das ändern.
Rund 1,2 Milliarden – so viele Menschen leben laut einer Schätzung der Weltbank in Slums. Es ist eine gewaltige Zahl, etwa jeder siebte Mensch weltweit, mehr als zweieinhalbmal so viel wie die Einwohnerinnen und Einwohner der EU. Man sollte annehmen können, das Thema sei ausreichend erforscht. Doch der Wissenschaftler John Friesen war überrascht, als er sich an der Technischen Universität (TU) Darmstadt mit den Themen Urbanisierung und Armut in Städten beschäftigte.
„Ich habe gemerkt, dass es da sehr wenig Wissen gibt“, sagt Friesen im Videogespräch. Slumbewohner und -bewohnerinnen seien in der Forschung eine „stark unterrepräsentierte Gruppe“. Für die indische Großstadt Mumbai variiert die geschätzte Bevölkerung des Slums Dharavi laut einer Publikation der Wissenschaftler Hannes Taubenböck und Michael Wurm etwa um den Faktor fünf. Es könnten also 200 000 Menschen dort leben – oder sogar eine Million. Das Wissen, das es gibt, konzentriere sich auf bestimmte Regionen. Laut Friesen stammt die Hälfte der medizinischen Studien zu Slumbewohner:innen in Afrika südlich der Sahara aus einer einzigen Stadt: Nairobi.
Friesen, 32 Jahre alt, frisch promoviert, ist gelernter Maschinenbauer. Während Kommilitonen sich auf die Effizienz von Autogetrieben spezialisierten, studierte er nach dem ersten Abschluss in Aachen Medizintechnik. Dann kehrte er für die Promotion zurück an die TU Darmstadt und das Institut für Fluidsystemtechnik. Er landete bei einer Frage, die ihn seitdem nicht mehr loslässt: Wie lassen sich 1,2 Milliarden Menschen, die im übertragenen und oft auch im wörtlichen Sinn im Dunkeln leben, sichtbar machen?
