Der Bach-Kosmos
Süddeutsche Zeitung
Immer mehr Pianisten widmen sich dem Werk des musikalischen Urvaters Johann Sebastian Bach, der auch als Klassik-Weihnachtsmann gute Dienste leistet.
Für viele ist er ein bisschen wie Jesus. Je näher das Weihnachtsfest rückt, desto enger fühlt man sich ihm verbunden. Johann Sebastian Bach, von frühen Biografen gar als "fünfter Evangelist" verehrt, ist nicht nur für die zahlreichen Liebhaber seines Weihnachtsoratoriums ein Fixpunkt der Musikgeschichte, sondern auch für alle nachfolgenden Musiker, zumal Komponisten. Bach hat mit mehr als 1000 Werken, darunter Gipfelwerken wie "Die Kunst der Fuge", Vorlagen geliefert für kompositorische und musikwissenschaftliche Diskurse über die Jahrhunderte. Der Leipziger Bachforscher Michael Maul zeigt das in seiner opulenten Bach-Bildbiografie (Lehmstedt Verlag, Leipzig. 312 S., 30 Euro), die sich teilweise auf seine Hörbiografie "Universum JSB" in Deutschlandradio Kultur stützt, in 33 Folgen nachzuhören auf jsbach.de. Zum Weihnachtsoratorium verweist er natürlich auf Bachs eigene kompositorischen Vorlagen, allesamt weltliche Werke, die er nun, versehen mit neuen Texten, zusätzlichen Rezitativen und Chorälen, zu einem opus magnum zusammenstellte. Aber, sagt Maul, "wüssten wir nicht um diese Vorgeschichte, wie würden nie erahnen, dass die unsterblichen Klänge von Bachs Weihnachtsoratorium eine weltliche Vorgeschichte hatten". Das berührt den Kern von Bachs Musiksprache, die so eindeutig uneindeutig ist, dass sie auch und gerade dann besonders deutlich zu uns spricht, wenn wir nicht sagen könnten, was ihr Bedeutungsinhalt ist.