"Das weibliche Herz": Warum die praktische Medizin Frauen noch immer benachteiligt
RTL
Autorin Angela Maas macht in ihrem Buch auf die erschreckenden Missstände zwischen Männern und Frauen in der Medizin aufmerksam.
Alles Gute zum Weltfrauentag, liebe Damen! Am 8. März jährt sich erneut der "International Women's Day". Einen Tag, den es seit Anfang des 20. Jahrhunderts gibt und den bisherigen Errungenschaften der Frauenbewegung gewidmet ist. Emanzipation, Gleichberechtigung, Freiheit – all das steht heute im Vordergrund. Auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten einiges dahingehend getan hat: Es gibt trotzdem noch viel zu tun.
Allen voran im Bereich der Medizin. Wussten Sie zum Beispiel, dass Medikamente nur an Männern getestet werden? Und auch das Elektrokardiogramm, besser bekannt als EKG, das in der Medizin regelmäßig zum Einsatz kommt, ist auf Männer zugeschnitten. Mit diesen und anderen Missständen, die hauptsächlich das weibliche Geschlecht betreffen, beschäftigt sich Autorin Angela Maas in ihrem Buch "Das weibliche Herz – Wie Frauenherzen schlagen und was sie gesund hält".
In ihrem 2020 erschienenen Buch macht die Autorin und Medizinerin auf die Statistik aufmerksam: Herzerkrankungen sind die häufigste Todesursache bei Frauen. In Europa sterben jährlich etwa 3,9 Millionen Menschen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 2,1 Millionen davon, also rund 49 Prozent, sind weiblich. Das hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, aber auch damit zusammen, dass die medizinische Forschung jahrzehntelang nur mit männlichen Probanden stattfand. Das ist wiederum problematisch, weil es zwischen den Geschlechtern viel zu viele Unterschiede gibt. Die Symptome bei Männern zum Beispiel lassen sich nicht eins zu eins auf die der Frauen übertragen.
Das Ziel der Autorin? Geschlechtergerechte Medizin in die Praxis umsetzen und Patientinnen unterstützen, ihnen mit auf den Weg geben, wie sie ihre Gesundheit verbessern können.
"Während meiner Ausbildung zur Kardiologin lernte ich Mitte der Achtzigerjahre, dass weibliche Herzpatienten unbequeme Zeitgenossinnen sind. Sie haben seltsame Beschwerden, Belastungs-EKGs zeigen merkwürdige Ergebnisse, und bei Herzkatheteruntersuchungen kann man oft nichts feststellen. Also viel Gekreische um nichts." Mit diesem vor allem für Frauen beunruhigenden Satz steigt Maas in ihr Buch ein. Es verdeutlicht mal wieder das alte Klischee: Frauen sind hysterisch und stellen sich an, sind nicht so stark wie männlichen Zeitgenossen. Die Ursache für Herzerkrankungen wurde meist in der Psyche gesucht: "Wenn Frauen mit den geltenden männlichen Maßstäben nicht zu messen waren, mussten sie eben einen Psychiater aufsuchen."
Zum Glück ist diese Einstellung heutzutage nicht mehr so stark vertreten, denn die letzten 30 Jahre haben laut Maas gezeigt: Es gibt tatsächlich wichtige Unterschiede zwischen Männern und Frauen, zum Beispiel hinsichtlich der Arterienverkalkung oder der Alterung des Herzmuskels. Zeit, mit dem Hysterie-Klischee ein für alle Mal aufzuräumen. Patientinnen seien mittlerweile viel mündiger als früher, "sie fordern Antworten auf ihre Fragen und lassen sich nicht mehr einfach abspeisen." Aber am Ziel sind wir allerdings noch immer nicht: "In der täglichen Praxis finden die neu erworbenen Erkenntnisse noch nicht ausreichend Anwendung."
Lese-Tipp: Warum erleiden auch junge Menschen einen Herzinfarkt?
Woran das liegt? Dazu muss man sich zurück in die Vergangenheit begeben: Vor rund 250 Jahren beschrieb ein englischer Internist zum ersten Mal Beschwerden im Zusammenhang mit Schmerzen in der Brust. Wer besonders betroffen war? Männer über 50. Damals, im 18. Jahrhundert, machte das Sinn, denn: Die meisten Frauen wurden nicht älter als 40 Jahre alt, weil sie häufig jung im Wochenbett starben, lange bevor sie überhaupt Krankheiten an den Herzgefäßen hätten aufweisen können. Dass Männer dadurch in den Vordergrund gerieten, macht also Sinn.