Warum müssen Frauen Wut unterdrücken?
Die Welt
Oscar-Gewinnerin Sandra Bullock spielt gegen ihr Sympathieträger-Image an. Für den Aufbruch in die neue Rolle sorgte die deutsche „Systemsprenger“-Regisseurin Nora Fingscheidt. Ein Gespräch über heilsames Ausrasten und zweite Chancen.
Die beiden sitzen in einem Hotel in Los Angeles, aber getrennt voneinander in unterschiedlichen Zimmern. Das Interview führen wir per Telefonkonferenz. „Schutzmaßnahme wegen Covid“, sagt die Stimme von Sandra Bullock. Auf Englisch. Obwohl die Tochter einer deutschen Opernsängerin zwölf Jahre lang in Nürnberg, Wien und Salzburg aufwuchs und gut Deutsch spricht, möchte Bullock das Gespräch lieber auf Englisch führen. Nora Fingscheidt, die deutsche Regisseurin ihres neuen Films „The Unforgivable“ (zurzeit im Kino zu sehen, ab 10. Dezember auf Netflix abrufbar), meldet sich ebenfalls auf Englisch aus dem anderen Zimmer.
Mit ihrem Spielfilmdebüt „Systemsprenger“ über ein neunjähriges, hochaggressives Kind, das zwischen Heimen und Pflegefamilien hin- und hergeschoben wird, hatte die 38-jährige Deutsche 2019 weltweit die Kritiker begeistert. In „The Unforgivable“ inszeniert sie mit Bullock in der Hauptrolle eine andere Systemsprengerin: Ruth Slater, eine Frau, die wegen Polizistenmords 20 Jahre im Gefängnis saß. Als sie freikommt, sucht sie nach ihrer jüngeren Schwester, die nach ihrer Verurteilung in einer Pflegefamilie aufwuchs. Aber das Leben in Freiheit wird für Ruth von Tag zu Tag mehr zur Hölle.