Tatort „Reiz des Bösen“: Ein Fall für Turbo-Jütte
Frankfurter Rundschau
Wer hätte das gedacht? Der Assistent von Ballauf und Schenk läuft im Köln-Tatort „Reiz des Bösen“ zu großer Form auf.
Alles scheint wie immer. Über die Tastatur von Jütte geht eine Schnecke, das ist nicht im übertragenen Sinne gemeint und das kann dauern. Aber Jütte hat Zeit. Wo kommt die Schnecke her, wo geht sie hin? Wir werden es nie erfahren, denn plötzlich passiert etwas und nun kommt Leben in den trägsten Schreibtischassistenten, den ein Tatort-Kommissariat je zur Verfügung hatte. Wer hätte das gedacht: eine Folge für Jütte. Jütte, der einst Turbo-Jütte genannt wurde, wie das Publikum staunend erfährt, aber noch mehr staunt Ballauf und am meisten staunt Schenk.
Man muss sich in diesem Zusammenhang auch daran gewöhnen, dass Jütte einen Vornamen hat. Er heißt Norbert. Norbert Jütte ist der Alptraum jedes Büros, aber im Fernsehen schaut man Roland Riebeling zu gerne dabei zu, wie er sein Leben auf sparsamer Flamme hält. Diesmal jedoch werden Sie ihn rennen sehen, rennen und röcheln, aber weiterrennen. Ein junger kräftiger Mensch läuft vor ihm davon, Jütte hält mit, das glaubt kein Mensch. Andererseits: Turbo-Jütte!
Es geht an sich um etwas anderes. Eine Frau wird ermordet, deren Ex wie deren jetziger Mann enorm aggressiv sind. Sofort läuft die Mitratemaschinerie an, obwohl man der Polizei da bereits um eine Nasenlänge voraus ist. Andererseits auch nicht. Man wird, um das klar zu sagen, über den Tisch gezogen. Im Buch von Arne Nolting und Regisseur Jan Martin Scharf ist ein Trick eingebaut, eine falsche Voraussetzung – gut gemacht, weil man an mindestens einer Stelle unbedingt Gelegenheit hat, es zu bemerken, bevor der Fall klar ist. Der Trick ist das Beste in diesem ansonsten teils einfach, teils umständlich geformten Tatort. Auch wäre es immer noch schöner, wenn Max Ballauf, Klaus J. Behrendt, nicht so oft noch einmal erklären müsste, was bereits jeder weiß (dass Herr Soundso es dann nicht gewesen sein kann, zum Beispiel).