Spielfilm „Pleasure“: „Nicht die Porno-Stars sind bedenklich, sondern das System ist es!“
Frankfurter Rundschau
Ein Interview mit Regisseurin Ninja Thyberg und Schauspielerin Sofia Kappel über ihren Spielfilm „Pleasure“.
Berlin - Schon jetzt ist „Pleasure“, das Spielfilmdebüt von Ninja Thyberg, einer der Filme des Jahres. In ihm gewährt die Göteborgerin eine ungeschönte, aber nicht verurteilende Innenansicht der US-amerikanischen Porno-Industrie. Die 19-jährige Linnéa (Sofia Kappel) hat nur ein Ziel: Sie möchte der nächste große Pornostar werden. Dafür verlässt sie ihre schwedische Heimatstadt und zieht nach Los Angeles., USA Zwar erhält sie schnell erste Aufträge, doch das horizontale Business ist schonungslos. Als „Bella Cherry“ erkennt sie schnell, dass sie nur eine Chance hat, in dieser Branche zu überleben, wenn sie ausnahmslos alles tut, was von ihr verlangt wird. Doch wie weit wird sie wirklich gehen?
Sofia Kappel, die bei allem Verve auch große Verletzlichkeit an den Tag legt, ist in der mal glamourös und sexy, dann wieder ungeschminkt und geradezu brutal fotografierten Independent-Produktion von wirklichen Größen der Porno-Welt wie Chris Cock, Dana De Armond oder dem Hobbit ähnlichen „Godfather“ Mark Spiegel umgeben. Sie schlägt sich dabei bravourös, indem sie ihre Figur, die ihre Mutter über ihren Werdegang in den USA anlügt und Konkurrentinnen gnadenlos aussticht, niemals denunziert. Beim Art Film Festival erhielt die Newcomerin den Preis als „Beste Darstellerin“. Ninja Thyberg konnte für „Pleasure“ als Regisseurin, Drehbuchautorin (zusammen mit Peter Modestij) und Produzentin ebenfalls zahlreiche Preise sowie bei den European Film Awards eine Nominierung als “European Discovery“ einheimsen. Mit dem Duo unterhielt sich bei ihrem Berlin-Besuch im Hotel nhow mit Marc Hairapetian. Wir duzten uns im Gespräch; das ist bei Schwed:innen so üblich.
Ninja, du hast schon 2013 einen Kurzfilm mit dem Titel „Pleasure“ gedreht. Bist du also schon lange mit dem Gedanken schwanger gegangen, einen Film über die Porno-Industrie zu drehen und was ist so faszinierend für dich an diesem Thema?
Ninja Thyberg: Ich weiß nicht, ob ich das Wort ““fasziniert“ wählen würde, aber ich bin an dem Thema seit 20 Jahren interessiert. Insofern ist „Pleasure“ tatsächlich ein Langzeit-Projekt. Ich habe dabei aus verschiedenen Blickwinkel daran gearbeitet. Nach dem ersten Sehen eines Pornos, der rein auf die Befriedigung der männlichen Triebe abzielte und die der Frauen aus und vor ließ, wurde ich mit 16 eine auswütende Anti-Porn-Aktivistin, natürlich ohne jemand in meinem damaligen Alter aus dieser Industrie zu kennen. Später hatte ich dann viel Kontakt mit der feministischen Bewegung ehemaliger Porno-Darstellerinnen. Ich schrieb auch einen Essay über das Thema.
Als ich Regisseurin wurde, wurde mir klar, dass ich mich auch filmisch damit auseinandersetzen wollte. Beim Kurzfilm, der nicht die gleichen Charaktere und nicht die gleiche Story hat, stand mir nur sehr wenig Geld zur Verfügung. Ich entschied mich, tiefer in diese Welt einzutauchen, die mich eigentlich vorher abgestoßen hatte. So verschaffte ich mir ein Jahr nach dem ersten „Pleasure“-Kurzfilm Zugang zu echten Porn-Sets, was nicht so schwierig war, wie ich dachte. Vorher hatte ich nur Dokumentationen gesehen und Bücher darüber gelesen. Mir war aber wichtig, eine realistische Innenansicht der Porno-Industrie zu geben, denn sie nur von außen zu verurteilen, erschien mir zu billig. Deshalb ist also ein zweiter, viel aufwändigerer Film namens „Pleasure“ entstanden.