
Narziss und Kampfhund
Die Welt
Regisseur Sean Baker schickt in dem Kinofilm „Red Rocket“ einen abgehalfterten Pornostar zurück in die Vorstadt seiner Jugend. Seine Lage wirkt trostlos und trotzdem: Lange hat das Kino keinen so glücklichen mittelalten weißen Mann mehr gesehen.
Fährt ein gutaussehender Mittvierziger durch Amerika, doch was im Bild erscheint, könnte uncooler kaum sein. Keine Harley, keine lässige Geste, keine erhabene Landschaft und auch keine glamouröse Skyline sind zu sehen. Stattdessen stiert die langsam aufzoomende Kamera erst einmal wie gebannt auf das abgewetzte Stoffmuster auf dem Sitz jenes Reisebusses, in dem Ex-Pornostar Mikey Saber (Simon Rex) mit Schrammen im Gesicht und dreckigem T-Shirt wie ein geprügelter Hund nach zwanzig Jahren Los Angeles in seine alte Heimat, die Erdölindustriestadt Texas City, zurückkehrt.
Was „ganz unten“ passiert, ist in den Filmen des amerikanischen Independent-Kino-Stars Sean Baker sowohl physiologisch als auch sozialhierarchisch gemeint, doch er stellt diese Ordnung einfach auf den Kopf. Inzwischen gilt es als sein Markenzeichen, das oft abfällig Betrachtete so nahtlos ins Bewunderungswürdige übergehen zu lassen, dass jahrelang im sozialrealistischen Kino antrainierte Mitleidsreflexe und Grübeleien über die Unterprivilegierten einfach in einem pinkfarbenen Säurebad undefinierbarer Affekte zwischen Vergnügen, Krassfinden und Respekt aufgelöst werden.
