Lage in deutschen Tierheimen ist "so schlimm wie noch nie"
n-tv
Vor wenigen Wochen machen deutsche Tierheime in einem Brandbrief an die Bundesregierung auf ihre alarmierende Situation aufmerksam. Doch was genau belastet die Auffangstationen so stark? Und was hat sich seit dem Notruf politisch getan? Ein Lagebericht.
"Zu viele Schnauzen für zu wenig Hände, die Tierheime sind am Ende!" - mit diesem Weckruf machen deutsche Tierheime Ende Juli in einem Brandbrief an die Bundesregierung auf ihre Arbeit am Limit aufmerksam. Überfüllte Auffangstationen, Finanznot, Fachkräftemangel: Die Liste der Probleme ist ebenso lang wie die der Hilfsforderungen. Eine Reaktion auf den Brandbrief seitens der Politik bleibt bislang allerdings aus.
Auch das nordrhein-westfälische Tierheim Witten-Wetter-Herdecke bekommt die prekäre Situation zu spüren. Hier werden vor allem Hunde abgeben. Vorstandsvorsitzende Wiebke Blomberg führt das auf einen Effekt der Corona-Krise zurück. In der Pandemie hätten viele Menschen Welpen adoptiert, die nun nicht mehr klein sind und zu Hause zu viel Platz in Anspruch nehmen. Zudem seien in der Pandemie unüberlegt häufig Gebrauchshunde wie zum Beispiel Jagd- oder Schutzhunde als Familientiere angeschafft worden. Die bräuchten allerdings viel Auslauf und Beschäftigung. Kommen die Menschen dieser Arbeit nicht nach und sind die Hunde nicht ausgelastet, käme es häufig zu Beißvorfällen. "Die Leute sind dann überfordert und melden sich beim Tierheim", so Blomberg gegenüber ntv.de.
Wie stark der Haustierboom zu Zeiten von Lockdown und Homeoffice tatsächlich ausfällt, zeigen Erhebungen des Industrieverbands Heimtierbedarf (IVH). "Von 2019 auf 2020 ist die Zahl der in Deutschland gehaltenen Haustiere um eine Million gestiegen", berichtet die Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbundes, Lea Schmitz, im ntv.de-Interview. Oft seien die über das Internet, im Zoofachhandel oder beim Züchter gekauft worden: "Nach der Pandemie war der 'Bedarf' an Haustieren durch die vielen Neuanschaffungen quasi gesättigt, sodass die Nachfrage nach Adoptionen von Tieren aus dem Tierheim rückläufig war". Als die in der Corona-Zeit neu angeschafften Vierbeiner dann vermehrt abgegeben wurden, verschärften sich die Kapazitätsprobleme in vielen Heimen zunehmend. "Schließlich kann man die Tiere nicht stapeln, die Plätze sind begrenzt", sagt Schmitz.