
Lübcke-Ausschuss: Schlampereien beim hessischen Geheimdienst
Frankfurter Rundschau
Der hessische Verfassungsschutz hat 2012 zentrale Erkenntnisse über den Neonazi Markus H. nicht mitgeteilte. Der Freund des Lübcke-Mörders Stephan Ernst konnte sich daraufhin legal bewaffnen.
Wiesbaden - Der hessische Verfassungsschutz hat es im Jahr 2012 versäumt, dem Kasseler Ordnungsamt alle ihm vorliegenden Erkenntnisse über rechtsextreme Aktivitäten von Markus H. mitzuteilen. Anderenfalls hätte die Behörde vielleicht verhindern können, dass sich der nordhessische Neonazi legal bewaffnet.
Das ist am Donnerstag bei der Vernehmung von damals Beteiligten im Lübcke-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags deutlich geworden. Markus H. war über Jahre mit dem Neonazi Stephan Ernst befreundet, der inzwischen als Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke verurteilt wurde. Markus H. saß mit Ernst auf der Anklagebank. Er wurde wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, vom Vorwurf der Beihilfe zu dem Mord allerdings freigesprochen.
Am Vormittag befragten die Mitglieder des Ausschusses einen Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV), der von 2006 bis 2012 für Waffenfragen zuständig war. Als Markus H. im Jahr 2007 eine Waffenbesitzkarte beantragte, so der Beamte, habe er dem Kasseler Ordnungsamt auf Anfrage mitgeteilt, dass H. im LfV als Rechtsextremist bekannt und 2006 wegen Zeigens des „Hitlergrußes“ verurteilt worden sei. Außerdem sei H. unter dem Pseudonym „Stadtreiniger“ auf verschiedenen rechtsextremen Internetportalen aktiv. Das Amt hatte H. daraufhin eine Waffenbesitzkarte verweigert.
Als H. 2012 erneut eine Waffenbesitzkarte beantragte, habe er mitgeteilt, dass dieser 2008 an einem NPD-Aufmarsch in Fulda teilgenommen habe und am 1. Mai 2009 an einem gewalttätigen rechtsextremen Aufmarsch in Dortmund, so der Verfassungsschützer. Neuere Erkenntnisse hätten ihm nicht vorgelegen. Die Abgeordneten konfrontierten ihn daraufhin mit Akten, aus denen hervorgeht, dass das LfV Markus H. 2010 den militanten Neonazis vom „Freien Widerstand Kassel“ zuordnete und 2011 Erkenntnisse darüber hatte, dass er unter seinem alten Pseudonym „Stadtreiniger“ auf Youtube aktiv war.
Der Verfassungsschützer sagte daraufhin, dass er davon nichts wisse. In der weiteren Befragung stellte sich heraus, dass die Aktenführung im LfV offenbar recht chaotisch war und dem Beamten 2012 wohl nicht die komplette Personenakte von Markus H. vorlag, als er seine Stellungnahme für das Kasseler Ordnungsamt verfasste.













