
Im carmen-artigen Habitus
Frankfurter Rundschau
Spanisches Temperament beim Rheingau Musik Festival. Von Bernhard Uske
Von ihrer Gestaltung her ist die Symphonie Espagnole Édouard Lalos eine typisch französische Kreation romantisch-klassizistischer Machart – hell und klar wie das Klangbild eines Camille Saint-Saëns oder Charles Gounod. Dank des Titels und einiger tänzerisch-iberischer Motive wird die Interpretation dieses Violinkonzerts gerne in einenc versetzt, für den das Interpretationskollektiv beim Rheingau Musik Festival im Wiesbadener Kurhaus wie geschaffen war: mit der autochthonen Solistin María Dueñas, dem Orquesta Nacional de España sowie dem gebürtigen Lateinamerikaner Andres Orozco-Estrada als Dirigenten. Man stieg mächtig ein und nutze sogleich das rhythmische Motiv zu Beginn als Antrieb für starke Affektivität, die vor allem von der Solistin ausging. Mit viel Druck auf den Bogen baute sie die eigentlich sehr aufgeräumte Form ihres Parts aus. Agogische Rückungen, starke Betonungen, weite Klangbögen sowie Vibrato und manchmal ein als sehnsuchtsvoll geltender Ton schufen das erwartbare Kolorit „feurige Leidenschaft“ und „spanisches Temperament“, wie es in der Programmankündigung hieß. Die vielen Läufe und Sequenzierungen ihres Parts kamen fast immer höchst intonationssicher und in den Höhen mit großem Gewicht zur Geltung, was das Schema spanischer Vollblütigkeit vervollständigte. Das 1937 gegründete Orchester gab ein herbes, durch Orozco-Estradas Klanggebung mächtig entwickeltes Tutti ab, das den typischen Charakter dieser Deutung komplettierte.
