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Hör jetzt bloß nicht auf!

Hör jetzt bloß nicht auf!

Süddeutsche Zeitung
Tuesday, February 01, 2022 01:22:22 AM UTC

Lange war München architektonisch in der Regionalliga. Doch plötzlich sammeln Projekte an der Isar Architekturpreise ein wie Weltmeister. Was ist da los?

Unter Umständen kann sich auch ein Underdog in einen Rausch hineinspielen. In diesem Fall ist das München. Auf dem Spielfeld von Architektur und Stadtbaukunst befand sich die Stadt zuletzt etwa dort, wo sich auch der FC Bayern München einmal befand: in der Regionalliga. Das war in den Jahren 1963/64. In jener Zeit aber geschahen - wir sind immer noch beim Fußball und in den frühen Sechzigerjahren - einige Wunder.

Der FCB war seinerzeit so mittellos, dass man fast nur junge, unbekannte und preiswerte Talente spielen lassen konnte. Eines hieß Sepp Maier. Zwei weitere Nobodys kamen hinzu: Franz Beckenbauer war der eine. Über einen gewissen Gerd Müller sagte der damalige Trainer Zlatko Čajkovski: "Was soll isch mit dieses Junge, diese Figur, unmöglich." Der Rest ist Geschichte. Wenn man heute irgendwo auf der Welt erzählt, man sei Bayern-Fan, dann wendet sich normalerweise alles gelangweilt ab. Weil die halt eh immer gewinnen. Nennt sich Bayern-Gen.

Dem Neubau eines genossenschaftlichen Wohnhauses "San Riemo" wurde gerade der DAM-Preis 2022 für Architektur des Deutschen Architekturmuseums verliehen.

Umso interessanter war es bis jetzt in der Architektur. Wenn man beispielsweise aus jener offenkundig mittellosen, zudem fantasiearm zu Tode verwalteten Dornröschenschlafstadt kommt, ja doch, München, das baukulturell eigentlich nicht in der gleichen Liga spielt wie Greuther Fürth und Arminia Bielefeld. Aus München, genau, wo Hochhäuser per Bürgerentscheid verboten sind, weil sie den Kirchturmspitzen und Alpengipfeln Konkurrenz machen. Wo man Fußgängerzonen siebzig Jahre nach ihrer deutschen Erfindung in Kassel für eine Innovation in der Sendlinger Straße hält. Wo man an einem S-Bahn-Tunnel herumplant, den ein Maulwurf im Sitzstreik schneller gegraben hätte. Wo man das Fahrradfahren für eine exotische Merkwürdigkeit und Autos, die auf Bürgersteigen parken, für ein Menschenrecht hält. Nennt sich München-Gen. Ist aber ein Vorort-Gen.

München: Wo grüne Stadträte Wohnraum-Experimente wie die Werkbundsiedlung mitten in der Stadt verhindern, aus ökologischen Gründen, während überall an den Rändern solarbedeckelte, wie mit der Laubsäge gebastelt wirkende, dicklich gedämmte Einfamilienhäuser aus dem Fundus des Baumarktes gebaut werden - die alles andere als ökologisch sind. Wo der CSU-Stadtrat eine Verschwörung der Münchner Architektenschaft enthüllt, die möglicherweise zu einer mafiösen Spielart der Freimaurer führen könnte. Was die Münchner Architektinnen und Architekten einmal monatlich im Donisl wirklich tun, dazu ein anderes Mal Erschütterndes mehr.

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