
Ein zärtlicher Zauberer für die Ewigkeit
n-tv
Tennis-Maestro, König von Wimbledon, Altmeister: Roger Federer streichelt die gelbe Filzkugel wie kein anderer, spielt eine Vorhand zum Verlieben und wird zum größten Künstler aller Zeiten auf dem Rasen. Nun endet eine Ära - doch Federers Magie lebt weiter.
Eigentlich hat jeder die gleichen Chancen. Eigentlich. Der Tennisplatz misst eine Fläche von etwa 195 Quadratmetern, ein Netz teilt den Court in zwei Hälften teilt. Dazu bekommt jeder der zwei Spieler einen Schläger, es gibt einen Ball und die gleichen Regeln für alle Beteiligten. Und doch scheint sich ab dem Moment, da Roger Federer in 1998 in Gstaad sein erste Profi-Turnier spielt, alles zu ändern. Auf einmal ist einer der Akteure auf dem Platz nicht mehr physikalischen Gesetzen unterworfen. Federer scheint im Vergleich zu seinen Gegnern fast unmenschliche Vorteile zu besitzen. Die 24 Jahre voller Magie, Dominanz, Jubelsprünge und Tränen sind nun vorüber: Der Tennis-Maestro beendet nach dem Laver Cup am 25. September mit 41 Jahren seine einzigartige Karriere.
Als Federer durchstartet, wird Beobachtern bewusst, dass dieses junge Talent mit dem Pferdeschwanz das Tennisspiel anders als alle vor ihm interpretiert. Einigen schon beim Wimbledon-Turnier 2001, als der 19-jährige Schweizer im Achtelfinale auf sein Idol, den siebenmaligen Titelträger Pete Sampras, trifft und den US-Amerikaner in fünf Sätzen besiegt und damit Sampras' Serie von 31 Siegen in Folge in London beendet. Allen anderen spätestens bei Federers erstem Grand-Slam-Titel 2003 in Wimbledon.
Bald schon setzt sich der Spitzname "Maestro" durch. Denn Federer ist der ultimative Ästhet. Wie er sich bewegt, besser gesagt: über den Court gleitet. Wie er den Ball schlägt, besser gesagt: Wie er ihn zärtlich streichelt. Das ist Poesie in Bewegung. Die einhändige, peitschende Rückhand, die Perfektion der Vorhand, bei der selbst die Härtesten weiche Knie bekommen, und des Aufschlags, Volleys aus anderen Galaxien am Netz. Für viele spielt Federer Zeit seiner Karriere kein Tennis mehr. Er baut Kunstwerke. Einmal gibt er sogar zu, dass er in seinen früheren Jahren manchmal den "schöneren Schlag" wählte und nicht den effektiveren. Zuschauer sprechen von einer "religiösen Erfahrung", wenn sie den Meister live erleben.
