Der FC Bayern zertrümmert seine Glaubwürdigkeit
n-tv
Der FC Bayern wird böse überrascht und ringt 20 Stunden lang nach einer Bestätigung für die Trennung von Coach Julian Nagelsmann. Das wirft kein gutes Licht auf die Bosse des Rekordmeisters. Dem Klub droht etwas Wichtiges verloren zu gehen.
Ob Uli Hoeneß weiß, was Twitter ist? Vermutlich hat er schon davon gehört, aber sich dann nicht weiter damit beschäftigt. Vor dreieinhalb Jahren bekannte der Patriarch des FC Bayern nämlich, dass er noch nie im Internet war. Gut, das Rad der Zeit hat sich weitergedreht, der Rekordmeister seit diesem Freitag den vierten Trainer seither und Hoeneß sich vielleicht doch ein wenig mehr den modernen Dingen zugewandt. Warum die Sache mit Hoeneß und Twitter wichtig ist: Der FC Bayern wurde über dieses Medium am Donnerstagabend fürchterlich auf dem falschen Fuß erwischt und brauchte über 20 Stunden, um sich aus der Schockstarre zu schütteln und zu bestätigen, was die Welt bereits wusste: Julian Nagelsmann muss gehen, Thomas Tuchel kann kommen.
Was muss in Uli Hoeneß in den vergangenen Tagen vorgegangen sein? Worüber hat er sich am meisten gewundert? Über dieses Twitter und diesen Transfermarkt-Guru Fabrizio Romano, der am Donnerstagabend tollkühn behauptet hatte, dass Nagelsmann alsbald gefeuert werden würde - und recht behielt? Oder darüber, wie der FC Bayern mit dem "Leak" umgegangen war? Woher der "Leak" kam, dürfte den Verein am meisten beschäftigen, denn er hat ihm massiv geschadet. Vor allem Klubboss Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidžić. Denn sie stehen nun einigermaßen blamiert da. Dass Coach Nagelsmann aus den Medien von seiner (zu diesem Zeitpunkt) völlig überraschenden Demission erfuhr (so wird berichtet), ist eine krachende Watschn für die Führung.
Diese Führung rang auch 20 Stunden nach dem Beben noch um den richtigen Umgang und bekam keinen Applaus dafür. Die Bosse zogen sich hinter die sportliche Argumentation zurück, die sich nur teilweise im Netz der Neugierigen verfing. Nicht jeder wollte verstehen, dass man einen Trainer feuert, der in der Champions League alle Spiele gewonnen hat, der im DFB-Pokal noch dabei ist und in der Liga zwar "nur" noch Zweiter ist, aber weiter alle Trümpfe in der Hand hat, um die elfte Meisterschaft aus eigener Kraft einzufahren. Zu wenig attraktiv gespielt, zu selten das Potenzial abgerufen, zu große Leistungsschwankungen, das waren die Argumente. Nun war es nach großen Turnieren freilich immer so, dass Nationalspieler in ein Loch fielen. Weil die WM aber sonst stets im Sommer stattfand, wirkte die Erschöpfung nie in die entscheidende Saisonphase hinein.