Das Problem mit Deutschlands bestem Fußballer
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Noch ein Spiel steht an, dann endet auch für die Nationalmannschaft die Saison. Es ist eine frustrierende, die eine Mannschaft ohne Hierarchie und Stabilität hinterlässt. İlkay Gündoğan ist nun der große Hoffnungsträger, aber in welcher Rolle eigentlich?
Wie bewertet man eigentlich, wer der beste Fußballer eines Landes ist? An Paraden? Grätschen? Zweikämpfen? Passquoten? Toren? Erfolgen? Schwierige Sache. Normalerweise. Nicht aber derzeit in Deutschland. Dort dürfte bei der Wahl niemand an İlkay Gündoğan vorbeikommen. Der 32-Jährige ist Kapitän von Manchester City, hat mit der besten Vereinsmannschaft der Welt gerade erst das Triple gewonnen. Als Torschütze und Spielgestalter. Für Trainer Josep Guardiola ist er unverzichtbar. Und das tatsächlich. Nicht immer passen bei "Pep" verbale Heroisierung und gelebte Praxis zueinander. Zur Inkarnation des besten Profis, den der Katalane nicht brauchte, ist der Brasilianer Dante geworden. Nicht ganz so schlimm steht es um Gündoğan. Aber ein bisschen Dante steckt auch in seiner DFB-Geschichte.
Denn eine der ganz großen Fragen seit Jahren lautet: Wohin mit dem Mann, der in Gelsenkirchen geboren wurde und nun nach langer Zeit, wie er bekannte, heimkehrt. Am Dienstagabend, wenn es mit der Nationalmannschaft auf Schalke zum Abschluss des Länderspiel-Dreierpacks gegen Kolumbien geht (ab 20.45 Uhr bei RTL und im ntv.de-Liveticker), sucht ein Bundestrainer abermals nach einer guten Lösung. Gefunden haben sie weder Hansi Flick, der aktuelle Amtsinhaber, noch Vorgänger Joachim Löw. Aber woran liegt das eigentlich? An Gündoğan? Ja, auch. So gut er im Verein spielt, so selten hat er im Trikot der Nationalmannschaft überzeugt. Allerdings bekam er auch weniger Chancen und wenn, dann immer unter kritischer Aufmerksamkeit. Von ihm wurde mehr erwartet als von anderen. Durchschnitt wurde nicht toleriert. Nicht bei einem, dessen Erzählung aus England immer wieder nach Wunderdingen klang. Aber an dem Stück Trikotstoff kann es ja freilich nicht erklärt werden.
Die Gründe liegen woanders. In der Art, wie Gündoğan das Spiel gestaltet, wie der Trainer die Rolle des 32-Jährigen sieht und die Mannschaft um ihn herumbaut. In Manchester ist das geschehen. Gündoğan war der erste große Transfer von Guardiola. Immer hat er zu ihm gehalten, auch nach dem Kreuzbandriss Mitte ihrer ersten gemeinsamen Saison. Bei den Skyblues agiert er neben dem herausragenden Kevin de Bruyne als Achter. Er hat viele Freiheiten, entwickelt Torgefahr und orchestriert die Angriffe. In der Einfachheit liegt seine große Stärke. Oft mit dem vorletzten Pass vor dem Abschluss. In der Nationalmannschaft wurde ihm diese Rolle eher verwehrt. Zwischen Joshua Kimmich, dem zwar zuletzt öffentlich vehement kritisierten Unverzichtbaren, Leon Goretzka und Thomas Müller gab es keinen Platz für den Mann aus Manchester. Alles Männer vom FC Bayern mit einer großen Lobby (neben ihren unbestrittenen Qualitäten). Nun ist Müller zwar vorerst weg (aber schon wieder in Lauerstellung), dafür aber sind Jamal Musiala, Florian Wirtz und Kai Havertz da.
Jan Reichert vom Zweitligisten 1. FC Nürnberg stößt nach dem EM-Aus für Alexander Nübel als vierter Torhüter zur deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Der 22-Jährige, der dieses Jahr vor allem in der Regionalliga zum Einsatz kam und nur ein Zweitligaspiel für die Franken bestritt, ist "völlig perplex".