Ben LaMar Gay „Open Arms to Open Us“: Der Fackelträger
Frankfurter Rundschau
Great Black Music für das 21. Jahrhundert: „Open Arms to Open Us“ von Ben LaMar Gay.
Ungeheuer die kaleidoskopische Verwirbelung: HipHop trifft Jazz, Drum’n’Bass, Techno, Breakbeats, Electronica, Blaskapelle, Gospelchor und einen zeitlupengedehnten New Orleans Jazz, Folk und Blues, Spoken Word Poetry und Tropicalismo ... und mehr. Hier lässt sich von einer popaffinen zeitgenössischen Überschreibung des afroamerikanischen Free Jazz der sechziger Jahre sprechen, eine gewisse spirituelle Note inbegriffen – oder auch von Avant-Pop.
Nicht umsonst hat Ben LaMar Gay das Wasser zu seinem liebsten Element erkoren. Auf „Open Arms to Open Us“, dem dritten Album des aus Chicago stammenden Genresprengers, gilt der Song „O Great Be the Lake“ dem Wasser, eine für Lamar Gays Verhältnisse beinahe schon naturbelassene Soulballade – wenn da nicht neben Orgelklängen das Gebimmel von Kuhglocken ins Spiel käme. „Swim Swim“ lautete ein Titel auf „Downtown Castles Can Never Block the Sun“ (2018), einer Zusammenstellung von über Jahre hinweg entstandenen Aufnahmen, mit der der Afroamerikaner erstmals international Aufsehen erregt hatte.
Fluide ist die musikalische Form. Faszinierend, wie sich das von einem der 16 Stücke zum anderen wandelt. Das Formprinzip der Musik ist die Fragmentierung; manche Nummern sind minutenkurz, viele enden abrupt, unerwartet. Stilmerkmale vieler Genres werden mit dem Mittel der Überlagerung zusammengebracht. Den großen Bogen spannt das einende Element einer markanten Perkussion.