
„Electric Girl“: Superheldinnen im Nachtprogramm - Zeugnis der Mutlosigkeit der ARD
Frankfurter Rundschau
Ziska Riemann gelingt bei ihrem Debüt „Electric Girl“ ein Gleichgewicht zwischen Superheldinnen-Komödie und Psychogramm.
Eine Party in einem hippen Loft, irgendwo in Hamburg. Musik füllt den Raum, Menschen stehen zusammen, reden, tanzen. Mia (Victoria Schulz) zieht ihre Begleitung durch die Menge, grüßt Bekannte, stellt Jakob (Björn von der Wellen), den Sie hierhergebracht hat, ihrer Freundin Lissy (Svenja Jung) vor. Es folgt Geplänkel, wer wen woher kennt, Gesprächsfetzen über Alltägliches. Doch Mia kann sich in die Situation nicht einfinden, beobachtet das Geschehen wie ein Außenstehende. Sie ist ruhelos, hat eine andere Wahrnehmung der Umwelt und tritt schließlich unbemerkt von den Umstehenden auf eine Brüstung. Ein kurzes Zögern noch und sie springt in die Tiefe. Jakob und Lissy sehen den Sprung im letzten Moment und stürzen auf den Abgrund zu. Doch Mia ist nicht gestürzt, sondern steht auf der Feuerleiter des Nebengebäudes. Wie sie dorthin gekommen ist, lässt Ziska Riemanns Film Electric Girl so offen, wie viele Fragen, die sich dem Zuschauer stellen. Kommt Mia, die als Synchronsprecherin unter der Regie von Jakob die Rolle der japanischen Superheldin Kimiko übernimmt, durch einen Stromschlag selbst zu übernatürlichen Fähigkeiten? Ist es die Trauer um ihren todkranken Vater, die sie nach einer alternativen Realität suchen lässt? Oder steigert sie sich in eine Illusion hinein, um der Banalität des Alltags zu entkommen? Geschickt hält der Film alle Deutungen im Gleichgewicht und entwickelt mit Mia eine Figur, die weniger zur Identifikation zwingt, als dass sie den Zuschauer mit ihrer Energie durch den Film reißt. Dabei schaffen es das Autorenteam um die Regisseurin und die Ko-Autorinnen Dagmar Gabler, Angela Christlieb und Luci van Org einerseits einen klaren Handlungsbogen zu schaffen: Mia kämpft wie ihr Vorbild Kimiko für die Rettung ihrer Heimatstadt vor (imaginären) Ungeheuern. Andererseits strukturieren sie den Film durch oft überraschende Szenen und Wendungen, in denen Mia stets dem Publikum vorauseilt, ohne es jedoch zu verlieren. Ihre Unberechenbarkeit wird zum Motor einer gebrochenen Superheldenerzählung, die den Film von den schematischen Narrativen ihrer amerikanischen Pendants abhebt.More Related News
