Zwischen Kleinkrieg und Großangriff
Frankfurter Rundschau
Nach Anerkennung der ostukrainischen Rebellengebiete durch Moskau befürchtet die Ukraine offene Kämpfe.
Putin habe viel zu lange gezaudert, findet Wassili Schipilow aus Westsibirien: „Acht lange Jahre, solange der Kreml sich nicht entscheiden konnte, starben in der Ostukraine Menschen, die nicht unter dem Bandera-Regime leben wollten“, hat der marxistische Blogger auf seinem Telegram-Kanal „Liebes Tomsk“ verkündet. Es hagelte 21 gesenkte Daumen, nur fünf Leser mochten den Blog. „Tomsk ist eine Uni-Stadt, sie war immer liberal gesonnen“, erklärt Schipilow die Stimmung. „Aber unsere Intelligenzija hat nur Mut, solange sie in Internetchats sitzt oder in der Küche.“
In der Moskauer Staatsduma gab es weniger Gegenstimmen. Sie ratifizierte am Dienstag Wladimir Putins Anerkennung der ostukrainischen Rebellenrepubliken Donezk und Luhansk einstimmig. Und der nationalpopulistische Abgeordnete Andrei Lugowoi verhöhnte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als „Affen mit Spielzeuggranate.“
Selenskyj selbst sagte, er glaube nicht an einen Krieg mit Russland, aber er werde das Kriegsrecht ausrufen, wenn es zu einem Großangriff der russischen Armee komme. Kiew berief seinen zeitweiligen Bevollmächtigten aus Moskau ab, das Außenministerium hat dem Präsidenten vorgeschlagen, die diplomatischen Beziehungen zu Russland abzubrechen.
Liberale russische Beobachter:innen äußern die Meinung, Putin werde aus Angst vor dem möglichen Volkszorn kein militärisches Wagnis eingehen.
Und Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, man wolle mit dem Westen über einen Verzicht der Ukraine auf militärische Gewalt verhandeln. Russland und die Rebellen unterstellen Kiew, es terrorisiere die Bevölkerung des Donbass mit Bombardements und Terroranschlägen. Was viele in Donezk allerdings gestern Nacht nicht an spontanen Straßenfeiern und Feuerwerken hinderte.