Wolfgang Thierse: „Den Wert der Freiheit darf man nicht herunterwirtschaften“
Frankfurter Rundschau
Das Jahr 2021 prägte eine Welle an Veränderungen. Bascha Mika im Gespräch mit Wolfgang Thierse über das verstärkte Sicherheitsbedürfnis und die Sorge um die Freiheitsrechte in Ostdeutschland.
Herr Thierse, das Jahr liegt in den letzten Zügen. Wie sind Sie gestimmt, wenn Sie auf 2021 zurückblicken?
Es war mal wieder ein Krisenjahr. Die Corona-Pandemie hat uns erneut an unsere Verletzlichkeit erinnert. Und an die Kontingenz des Lebens. Wir haben nicht alles im Griff. Die stolze Menschheit beherrscht nicht alles – das ist fast schon eine Kränkung. Eine weitere Kränkung, mit der wir sozialpsychisch aber besser umgehen können, ist die Flutkatastrophe. Früher hätte man von einem Gottesurteil als Strafe für die Klimazerstörung gesprochen. Und dann gehören zu diesem Jahr noch die vielen Gewaltkonflikte, die von der Weltgemeinschaft nicht einzudämmen sind, egal auf welchen Kontinent wir blicken. 2021 war ein Jahr mit sehr unterschiedlichen, aber tiefgreifenden Erschütterungen.
Kontingenz und Zufall passen so gar nicht ins politische Geschäft. Angemessen auf das Unvorhersehbare zu reagieren, ist für Politiker:innen doch die reine Hölle.