Streit zwischen Grünen und Ex-Bild-Chef eskaliert: Partei schaltet Gericht ein
Frankfurter Rundschau
Julian Reichelt fährt eine Kampagne gegen die Grünen. Die Partei beklagt Falschinformationen. Nun prüft erstmals ein Gericht den Fall.
Berlin – Ein Streit zwischen Julian Reichelts Medienportal Nius und den Grünen eskaliert. Reichelt stilisiert die Grünen regelmäßig zum politischen Feindbild und fährt eine Kampagne gegen die Partei. Nun ging er aus Sicht der Grünen einen Schritt zu weit. Der Ex-Bild-Chef unterstellte den Grünen, in ihrer Parteizentrale eine politische Polizei aufzubauen, die gegen politisch Andersdenkende vorgehe. Daraufhin mahnte die Partei Reichelt ab. Sie forderte ihn auf, die aus ihrer Sicht falschen Nachrichten zu löschen und eine Unterlassungserklärung abzugeben. Wie IPPEN.MEDIA erfahren hat, ließ Reichelt die Frist dafür verstreichen. Jetzt hat die Partei den Fall der Justiz übergeben – ein bisher einmaliger Vorgang.
Grund für die nun laufende Prüfung des Landgerichts Hamburg ist Reichelts Berichterstattung über den Verein „PolizeiGrün“ im Februar. In mehreren Artikeln, Beiträgen auf X (ehemals Twitter) und YouTube behauptete Reichelt, dass die Grünen und speziell deren Vorsitzende Ricarda Lang eine „eigene grüne Polizei“ aufbauten, die gegen oppositionelle Meinungen vorgehe. Reichelt zog Vergleiche einer politisch motivierten Polizei zur Zeit des Nationalsozialismus.
Tatsächlich handelt es sich bei „PolizeiGrün“ um einen rechtlich, personell und finanziell unabhängigen Verein. Seine Mitglieder sind Polizeibeamte. Zwar stehen diese, wie der Vereinsname „PolizeiGrün“ bereits vermuten lässt, den Grünen nahe. Das ist jedoch nichts Ungewöhnliches. Es gibt eine Vielzahl von Berufsgruppen, die sich als Vereine zusammenschließen und Parteien nahestehen. So gibt es bei der SPD etwa die „Sozialdemokrat:innen in der Polizei“, bei der Union gibt es gleich mehrere interne Polizeiarbeitskreise, in denen Beamte sitzen. Häufig geben diese Vereine im Impressum den Parteisitz als Adresse an. Reichelt führte das bei „PolizeiGrün“ als Argument für seine Behauptung der politischen Polizei an. Über die anderen parteinahen Vereine sprach Reichelt in seinen Beiträgen nicht.
Nius ist ein Online-Nachrichtenportal, das Reichelt nach seinem Rauswurf bei Bild gegründet hatte. Darin erhebt er den Anspruch, „die Stimme der Mehrheit“ zu sein. Im Medienspektrum wird Nius oft dem rechtskonservativen oder rechtspopulistischen Spektrum zugeordnet. Finanziert wird das Portal vom umstrittenen Investor Frank Gotthardt.
In der Grünen Partei löste die Kampagne von Nius große Verärgerung aus. Besonders der Nazi-Vergleich wird als Verfälschung der öffentlichen Debatte wahrgenommen. „Kritik – auch scharfe Kritik – gehört zum Diskurs dazu und ihr stellen wir uns“, sagt eine Pressesprecherin zum Fall Reichelt. „Falschinformationen, um die öffentliche Debatte zu verzerren und die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen, schaden dem Diskurs.“ Die Partei mahnte Reichelt deshalb ab und forderte die Löschung der Artikel und Videos. Sie verlangte von Nius, bis zum 5. März eine Unterlassungserklärung abzugeben.