Sebastian Kurz weiß von nix
Frankfurter Rundschau
Der von etlichen Korruptionsvorwürfen in die Enge gedrängte Kanzler macht keine sonderlich smarte Figur mehr. Das kommt auch von der Dreistigkeit seiner „Prätorianer“.
Er klang so wehleidig wie noch nie. „Warum soll immer ich an jedem Unrecht schuld sein? Wieso soll ich dafür verantwortlich sein?“ Mit Dackelblick, aber durchaus offensiv, antwortete Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz am Mittwochabend im ORF auf Beschuldigungen, dass er Teil eines Teams gewesen sei, dass seine Übernahme der ÖVP und später des Kanzleramts auch durch korruptive Praktiken forciert habe. Kurz selbst wird Anstiftung vorgeworfen; im Rechtsdeutsch heißt das „Beitragstäterschaft“.
Die Vorwürfe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die am Mittwoch zu Razzien in der ÖVP-Zentrale, im Kanzleramt am Ballhausplatz in Wien und im Finanzministerium führten, umfassen die Delikte Bestechlichkeit, Bestechung und Untreue. Für alles gilt erst mal selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Es geht um die Zeit vor dem glanzvollen Aufstieg des türkisen Politikers, um eine Freundschaftstruppe, die gezielt an dem „Projekt Ballhausplatz“ arbeitete und die schließlich ihre Entlohnung dafür einforderte, als Kurz an der Spitze der Macht angekommen war.
Im Zentrum der Truppe steht Thomas Schmid, ein enger Vertrauter von Kurz, der damals, 2016, Generalsekretär im Finanzministerium war. Kurz selbst war Außenminister. Ziel der Kurz-Treuen war es in jenen Tagen, den damaligen ÖVP-Chef und Vize-Kanzler Reinhold Mitterlehner zu stürzen und die ÖVP mit Kurz an der Spitze zur Kanzler-Partei zu machen. Das Projekt war bekanntlich sehr erfolgreich.