Realitätsschock für die deutsche Russland-Politik
DW
Der russische Einmarsch in der Ost-Ukraine hat jahrelange deutsche Vermittlungsbemühungen zunichte gemacht. Was kann deutsche Diplomatie jetzt noch erreichen?
Die deutsche Russland-Politik liegt in Trümmern. Eine Politik, die auf Dialog gesetzt hat, während Präsident Putin jetzt Tatsachen schafft - militärische Tatsachen. Das unter maßgeblicher deutscher Vermittlung ausgehandelte ukrainisch-russische Minsker Abkommen zur Befriedung der Ost-Ukraine hat Putin "in Stücke gerissen", wie die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield bei der Dringlichkeitssitzung des Weltsicherheitsrats sagte.
Das Minsker Abkommen sei "ein großer Teil der deutschen Russlandpolitik", sagt Thomas Kunze, Leiter des Moskauer Büros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, der Deutschen Welle. "Deutschland, die ehemalige Bundeskanzlerin, der jetzige Bundeskanzler haben sich dafür stark gemacht, Minsk umzusetzen. Das ist jetzt mit der Entscheidung Russlands nicht mehr möglich."
Deutsche Regierungen jedweder Couleur haben immer wieder gesagt: Es gibt keine militärische Lösung. Für Putin gibt es sie. So wie schon die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 aus seiner Sicht eine militärische Lösung war.
Der Außenpolitikexperte Johannes Varwick von der Universität Halle glaubt, in Deutschland habe man lange verkannt, dass es Putin tatsächlich ernst meine: "Nämlich dass er massiv die Existenz der Ukraine als souveränen Staat in Frage stellt. Und das ist natürlich keine Verhandlungsgrundlage mehr, aus der man gewissermaßen einen Interessensausgleich ableiten kann. Insofern ist es schon eine veränderte Lage und diese Welt sieht heute wirklich anders aus, als sie noch gestern aussah."
Daher kommt die deutsche Diplomatie an diesem Punkt nicht weiter, weil für sie eiserne Prinzipien gelten, die für Putin wertlos sind. Bundeskanzler Scholz erinnerte am Dienstag an die Grundsätze der Unversehrtheit und Unverrückbarkeit von Grenzen. Darauf fuße die gesamte Nachkriegsordnung.