Putin könnte Kräfte für Angriff auf Nato-Staaten sparen
Frankfurter Rundschau
Russland hat im Ukraine-Krieg zahlreiche Warnungen an die Nato gerichtet. Könnte Putin wirklich Mitgliedsstaaten angreifen? Ein Nato-Bericht bejaht die Frage.
Moskau - Einem Nato-Bericht zufolge könnte der russische Präsident Wladimir Putin im Ukraine-Konflikt militärische Ressourcen und Feuerkraft aus der Luft für einen Angriff auf Nato-Staaten einsparen. Die Nato-Militärakademie Nato Defense College hat den Bericht veröffentlicht. Die Behauptung: Russlands Armee habe ihr „militärisches Potenzial beim Angriff auf die Ukraine nicht voll ausgeschöpft“ – trotz der hohen Verluste an Militärpersonal, gepanzerten Fahrzeugen, Flugzeugen und Artilleriewaffen. Russland und auch Belarus hatten immer wieder Drohungen an die Nato gerichtet.
„Die Beibehaltung der Fähigkeit, sich bei Bedarf an Operationen gegen die Nato zu beteiligen, könnte einige der Merkmale und ‚Überraschungen‘ des russischen Krieges gegen die Ukraine erklären, beispielsweise den begrenzten Einsatz von Luftstreitkräften, die schrittweise Einführung älterer und weniger präziser Waffensysteme oder die scheinbar gedämpften Angriffe im Cyberspace“, heißt es in dem Nato-Bericht. Bis heute hat Putin keine Generalmobilmachung in Russland angeordnet.
Das „offizielle russische Narrativ ist fast immer defensiv, aber der Kern des Moskauer Ansatzes besteht darin, den Status quo zu verändern. In diesem Zusammenhang bleibt ein Angriff auf ein Nato-Land eine Möglichkeit“, heißt es im Bericht.
Im Juni warnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Rede vor führenden Nato-Vertretern, dass Russland schließlich Nato-Staaten angreifen könnte. „Nächstes Jahr könnte sich die Lage nicht nur für die Ukraine, sondern auch für mehrere Länder, möglicherweise Nato-Mitglieder, verschlechtern, die von Russland unter Beschuss genommen werden könnten“, sagte Selenskyj. „Dann wird es unser gemeinsames Versagen sein – sowohl für die Ukraine als auch für die Nato“.
Über einen möglichen Angriff auf Nato-Staaten heißt es in dem Bericht weiter: „Die schwache Leistung der russischen Streitkräfte in den ersten Monaten ihres Krieges gegen die Ukraine und das Ausmaß der Verluste und materiellen Einbußen, die sie erlitten haben, sollten jedoch Anlass sein, weiter über die Fähigkeit Russlands nachzudenken, sich zu erholen und die Nato militärisch herauszufordern“.