Prozess wegen drei Toten bei Unfall: „Das war doch meine Familie!“
Frankfurter Rundschau
Ein junger Mann muss sich vor Gericht verantworten: Er tötete mit einem Unfall bei Hofheim seine drei besten Freunde.
Am Abend des 10. Juli 2020 tötet Benjamin B. (Name geändert) seine drei besten Freunde und verliert sein Leben. Der 18. Geburtstag des jungen Mannes liegt drei Tage zurück, der Lockdown ist vorbei und erstmals seit langer Zeit verbringt die Clique wieder einen gemeinsamen Tag. Sie hängen im Freien ab, gehen zusammen essen, besuchen eine Shishabar. Auf der Heimfahrt im SUV seiner Mutter verliert B. in einer langgezogenen Kurve der L3018 zwischen Hofheim-Langenhain und -Wildsachsen die Kontrolle über den Wagen. Das Auto prallt gegen einen Baum. Seine zwei 19 und 18 Jahre alten Freunde auf der Rückbank sterben vor Ort, der 17-Jährige Beifahrer kurz darauf im Krankenhaus. B. verletzt sich leicht an der Schulter.
Der Saal des Jugendschöffengerichts, in dem sich B. seit Dienstag wegen fahrlässiger Tötung strafrechtlich verantworten muss, ist viel zu klein. Alle Plätze, die die Corona-Verordnung erlaubt, sind sofort besetzt. Viele Hinterbliebene werden abgewiesen, es ist nahe am Tumult. Der Vater eines Opfers muss sich seinen Platz im Zuschauerraum erbetteln. Die Atmosphäre im Saal beherrschen Trauer, Schmerz und Wut. B. schlägt der blanke Hass entgegen.
Wütendes Zischen im Zuschauerraum, als B. aussagt, er habe einem Wildtier ausweichen wollen, als er die Kontrolle über das Auto verlor. Höhnisches Lachen, als er die in seinem Blut festgestellten THC-Reste mit dem Besuch in der Shishabar erklären will – er habe lediglich während des Lockdowns ein paar Mal aus Langeweile gekifft und es dann wieder sein gelassen. Müdes Abwinken, als Zeugen aussagen, B. habe bereits an der Unfallstelle immer wieder den Satz wiederholt „Ich bin nicht zu schnell gefahren“. Eine Schutzbehauptung: Laut Gutachten kam B. mit 135 Kilometern pro Stunde von der Straße ab. Erlaubt waren 100, seit dem Unfall sind es 70. Immer wieder brechen nicht nur die Eltern der Opfer bei Detailschilderungen des Unfalls in Tränen aus.