Politisches Kalkül mit grausamen Folgen: Im Niemandsland von Polen und Belarus
Frankfurter Rundschau
Das Regime in Belarus erpresst die EU mit Geflüchteten, Nachbarland Polen will mit der unnachgiebigen Politik an seiner Ostgrenze die eigene Position stärken.
Minsk/Warschau - Reporterin Agnieszka Sadowska stellt ihrem Film lieber eine Warnung voran. „Achtung, dieses Video enthält drastische Szenen!“ Und damit geht es dann auch gleich los. Die Kamera fährt dicht an die nackten Füße eines afghanischen Jungen heran. Die Haut ist weiß verfärbt, aufgequollen und zerfurcht. An einigen Stellen hängt sie in Fetzen herab. Der Junge stöhnt laut auf, als ein Sanitäter die Fußsohlen mit Desinfektionsmittel abtupft. Vierzehn Jahre mag er alt sein, höchstens. Auf der Oberlippe schimmert ein dunkler Flaum. Der geschundene Körper ist in eine goldglänzende Rettungsfolie gehüllt. Nicht viel hätte wohl gefehlt, und er wäre in den Sumpfgebieten des Bialowieza-Urwalds erfroren, irgendwo im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen. Ein Niemand im Niemandsland. Von Ost nach West getrieben, weil der Diktator Alexander Lukaschenko mit Menschen hantiert wie mit Material. Das Regime in Minsk will die EU mit Flüchtlingen erpressen und spalten. So sieht man das mehrheitlich in Brüssel. Aber auch Lukaschenko selbst macht aus seiner Methode kein Geheimnis. Er wehre sich nur gegen die aggressive Sanktionspolitik des Westens. „Wir führen einen Verteidigungskrieg.“ Zu diesem Zweck arbeiten seit Monaten staatliche Organe im Stil von Schlepperbanden. Es gibt inzwischen zahlreiche Belege, dass das belarussische Regime Menschen aus dem Irak, Syrien und zuletzt vermehrt aus Afghanistan nach Minsk einfliegen lässt. Anschließend werden sie an die Grenzen zu den EU-Staaten Litauen, Lettland und Polen transportiert und zu Fuß nach Westen geschickt.More Related News