Nordstream-Sabotage: Führt die Spur in die Ukraine?
DW
Vor über fünf Monaten verübten Unbekannte in der Ostsee einen Sprengstoffanschlag auf die umstrittene deutsch-russische Gaspipeline. Nun gibt es neue Erkenntnisse des Generalbundesanwalts. Was bislang bekannt ist.
Es ist Montag, der 26. September 2022. Über der Ostsee herrscht ruhiges Wetter, die See ist nahezu spiegelglatt. Doch dann, um kurz nach 2 Uhr morgens, registriert ein Seismograph auf der dänischen Insel Bornholm eine Erschütterung. Ursprungsort: rund zwölf Seemeilen südöstlich der Insel. Am selben Abend gegen 19 Uhr schlägt die Nadel erneut aus, diesmal liegt das Epizentrum nordöstlich von Bornholm. Schnell wird jedoch klar: Beide Male war die Ursache kein Erdbeben, sondern eine Explosion.
Die erste Detonation riss ein Leck in Strang A der dort verlaufenden Gaspipeline Nord Stream 2. Diese wurde auch an der zweiten Stelle beschädigt, zudem zerstörten mehrere Explosionen eine Röhre der Schwesterpipeline Nord Stream 1 auf rund 250 Meter Länge. An beiden Orten stiegen im Umkreis von bis zu einem Kilometer Gasblasen an die Wasseroberfläche. Die Bilder des Sabotageaktes gingen um die Welt - die Hintergründe sind jedoch bis heute unklar.
In Deutschland übernahm der Generalbundesanwalt die Ermittlungen. Er wird unter anderem dann eingeschaltet, wenn der Verdacht besteht, dass sich ein Staatsschutzdelikt gegen die Bundesrepublik richtet. Dessen derzeitige Ermittlungserkenntnisse hat ein Recherchenetzwerk von ARD, SWR und der Wochenzeitung "Die Zeit" am Dienstag veröffentlicht.
Angeblich soll ein Kommando bestehend aus fünf Männern und einer Frau am 6. September, also gut zweieinhalb Wochen vor der Sprengung, eine Jacht in Rostock gemietet haben. Dort sei das Schiff mit Explosivmaterial beladen worden, das gemeinsam mit weiterer Spezialausrüstung mit einem Lieferwagen herbeigeschafft worden war. Im Januar 2023 ließ die Bundesanwaltschaft das Schiff durchsuchen; dem Recherchenetzwerk zufolge fanden die Ermittler kleine Rückstände von Sprengstoff in der Kabine der Jacht. Dann sollen die Attentäter über die kleinen Ostseehäfen Wieck und Christiansø in das Gebiet der späteren Sprengungen vorgedrungen sein.
An den Anschlagsorten selbst verlaufen die Pipeline-Röhren in rund 80 Metern Wassertiefe. Mit großer Wahrscheinlichkeit seien die Sprengladungen mit einem Zeitzünder versehen worden. Die Wucht der Detonationen habe nicht nur drei der vier Pipeline-Röhren zerstört, sondern dazu auch mehrere Meter tiefe Krater in den Meeresboden gerissen.