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Morton-Feldman-Oper „Neither“ in Salzburg: Undurchdringliches Unselbst

Morton-Feldman-Oper „Neither“ in Salzburg: Undurchdringliches Unselbst

Frankfurter Rundschau
Tuesday, August 17, 2021 03:58:25 AM UTC

Die Salzburger Festspiele widmen sich dem Werk Morton Feldmans, im Zentrum steht seine Beckett-Oper „Neither“.

Die Begegnung zwischen Morton Feldman und Samuel Beckett in Berlin 1976 hat auch in ihrer Überlieferung als Anekdote Charakter. Der Dichter Beckett zum zwanzig Jahre jüngeren Komponisten: Er möge keine Opern. Feldman: Er auch nicht. Beckett: Er möge es nicht, wenn einer seiner Texte in Musik gesetzt werde. Feldman: Er schreibe häufig für Stimmen, aber meistens textlos. Beckett: Was er also von ihm wolle. Feldman: Das wisse er auch nicht. Dann fügt Feldman noch hinzu, denn wir sind hier am Ende doch nicht im absurden Theater: Er sei auf der Suche „nach der Quintessenz, nach etwas, das einfach schwebt“. Der Text „Neither“, auf den es schließlich mit einer Uraufführung in Rom 1977 hinauslief, hat wenige Zeilen (87 Wörter, auf einer Postkarte an Feldman übermittelt) und ist kein Libretto. Vielleicht ist es ein Gedicht, jedenfalls ein schwebendes Stück, ein „Weder“, dem sogar das „Noch“ fehlt. Bei einer Aufführung versteht man zudem praktisch kein Wort: ein Beckett-Text, der sich verbirgt hinter den außergewöhnlichen Strapazen, die ein Sopran dafür auf sich nehmen muss, aber freilich ist er dennoch da, der Text. „hin und her in Schatten von innerem zu äußerem Schatten – – von undurchdringlichem Selbst zu undurchdringlichem Unselbst durch Weder ... .“ Daraus entsteht ein Drama ohne Dramatik, das gerade deshalb existenziell sein kann, weil es sich jeder Konkretion entzieht. Und, ja, das Existenzielle um seiner selbst willen, jenseits von Fragen des Handlungsablaufs (bekanntlich häufig überschätzt), ist zumindest eine wesentliche Quintessenz der Gattung Oper. Faszinierend: Auch bei der Aufführung in der Kollegenkirche bei den Salzburger Festspielen, die dem US-amerikanischen Komponisten Feldman (1926-1987) einen mehrteiligen Schwerpunkt widmeten, nahm die nachher bejubelte Sängerin Sarah Aristidou eine Opernrolle ein, zagend, werbend, leidend, verzweifelt, todernst, all dies mit höchster musikalischer Kompetenz, all dies aber ganz rätselhaft. Eine Beckett-Oper, zu der es hervorragend passte, dass Becketts Sätze und Satzstücke bei einer Aufführung doppelt dem Verstehen entzogen sind. Eine Feldman-Oper, in der Aristidou so schön, ausgeformt und sozusagen melodisch sang, dass kaum auffiel, dass sie lange, sehr lange auf einer einzigen Tonhöhe bleiben muss. Perfekt austariert lief die hörbare Anstrengung, aber eben auch ihre Bewältigung hinaus auf einen durchgängigen, angesichts der Anforderungen geradezu frechen Wohlklang.
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