Missbrauch in Frankreichs Kirchen: „Eine Welt des Sadismus“
Frankfurter Rundschau
In Frankreich enthüllt ein unabhängiger Bericht den sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Tausende von Priestern.
Paris – Unter der Führung des französischen Verwaltungswissenschaftlers Jean-Marc Sauvé haben 22 Pädagogen, Psychologen und Juristen unter Ausschluss von Klerikern mehr als zwei Jahre lang Archive durchforstet und Zeugen angehört, um nun einen Bericht über den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche Frankreichs vorzulegen. Als sich unter den französischen Katholik:innen herumgesprochen hatte, dass die Kommission wirklich unabhängig arbeitet, fassten sich viele Opfer ein Herz und berichteten erstmals über das, was sie durchgemacht hatten.
Die Bilanz ist erschreckend: Seit 1950 sollen sich zwischen 2900 und 3200 Kleriker sexueller Vergehen schuldig gemacht haben, wie Sauvé im Voraus bekanntgab. Zur Zahl der Opfer machte er noch keine genauen Angaben, Eingeweihte schätzen sie auf 10 000. Das Ausmaß läge damit in etwa doppelt so hoch wie in Deutschland,
Erschüttert waren die Mitglieder der von der französischen Bischofskonferenz eingesetzten Kommission nicht nur durch die Zahlen. Sie bekamen die immer gleichen Praktiken geschildert – alle Arten von Berührungen bis zu Penetration, Folter und Sklavenhaltung. „Wir waren mit einer Welt des Sadismus, des Irrsinns und der Perversion konfrontiert, die man nie für möglich gehalten hätte“, sagte die Kinderschützerin Alice Casagrande. Die meisten Kommissionsmitglieder mussten sich selber betreuen lassen, um die Schilderungen zu verkraften.