Kritik an Stadtpolitik: „Den Grüngürtel in Frankfurt hat man kaputt gemacht“
Frankfurter Rundschau
Der Architekt Till Behrens, der sich als Vater des Grüngürtels sieht, feiert am Samstag 90. Geburtstag. Von der Stadt sieht er sich um seine Urheberschaft gebracht.
Frankfurt - Elegant schmiegt sich das Haus an den abfallenden Hang, große Panoramascheiben öffnen den Blick über die von alten Obstbäumen eingefasste Wiese. Im Hintergrund ist der Lauf der Nidda zu erahnen. Der Mann, der den Bau vor mehr als 50 Jahren entwarf, tritt auf die Terrasse, hochgewachsen und schlank, in schwarzer Hose und mit schwarzem Hemd. „In meinem Garten sollte ein Wohnhochhaus mit 22 Geschossen errichtet werden“, sagt Till Behrens mit gewissem Ingrimm, „das haben wir zum Glück verhindert.“ Der Planer und Architekt formulierte 1970/71 ein Konzept unter dem Arbeitstitel „Dritter Grüngürtel mit grüner Mainuferspange, Randbebauung und Verkehrsbündelung“. Am Samstag (02.10.2021) feiert der Mann, der sich als Vater des Frankfurter Grüngürtels sieht, seinen 90. Geburtstag.
Freilich: In friedlicher und aufgeräumter Stimmung geschieht das nicht gerade. Denn Behrens, dessen Entwürfe weltweit reüssierten, der eine Betonkirche in Argentinien baute, aber auch gerühmte Sitzmöbel verwirklichte, sieht sich von der Stadt Frankfurt um seine Urheberschaft am Grüngürtel gebracht. Er wirft der Kommune „Riesenfälschung“ vor: Sie betrüge die Bürger. Tatsächlich datiert Frankfurt die Geburtsstunde des Grüngürtels auf das Jahr 1990, als die damalige rot-grüne Römer-Koalition den Beschluss fasste, eine zusammenhängende Zone von Grünflächen rund um die Stadt unter Schutz zu stellen.
Während meines gesamten Besuches in seinem Zuhause bleibt der Architekt stehen, tigert durch sein Wohnzimmer, so sehr arbeitet es in ihm. Die Stadt ignoriere nicht nur, dass von ihm der Plan für den Grüngürtel stamme, sie verschweige auch, dass viele Bürgerinnen und Bürger von 1971 an im Frankfurter Forum für Stadtentwicklung für diese Konzeption kämpften. Tatsächlich gingen die Ideen, die der Planer vor 50 Jahren vorlegte, über das hinaus, was bis heute verwirklicht ist. Behrens wollte nicht nur das Grün schützen, sondern bereits damals den Individualverkehr zurückdrängen. Er schlug vor, die Mainuferstraßen stillzulegen. Autos und Lastwagen sollten stattdessen über einen neuen „Mittleren Ring“ rund um die Stadt gebündelt werden, ja sogar Eisenbahnstrecken wollte er mit einer Straße überbauen, um so Grün zu schonen.