Israels Ex-Premier Netanjahu: Prozessdeal mit Sprengkraft?
Frankfurter Rundschau
Israels Ex-Premier Benjamin Netanjahu könnte sich in seinem Prozess auf einen Deal einlassen, der ihm die Haft erspart. Das hätte weitreichende Folgen.
Jerusalem – Noch läuft der Korruptionsprozess gegen Benjamin Netanjahu, angeklagt wegen Bestechung, Betrugs und Untreue, vor dem Jerusalemer Bezirksgericht. Doch parallel zu der langwierigen Beweisaufnahme wird über einen Deal verhandelt, der Israels früherem Premier und jetzigem Oppositionschef eine womöglich mehrjährige Gefängnisstrafe ersparen, aber auch politische Turbulenzen auslösen könnte.
Generalstaatsanwalt Avichai Mendelblit hat jedenfalls ein entsprechendes Angebot auf den Tisch gelegt, als Netanjahus Verteidiger zunächst in aller Diskretion die Chancen eines Deals ausloteten. Demnach würde die Anklagebehörde in Israel den Bestechungsvorwurf sowie einen der drei angeklagten Korruptionsfälle ganz fallen lassen. Im Gegenzug müsste sich Netanjahu in den verbleibenden Punkten – Annahme kostspieliger Geschenke und Vergünstigung für einen Medienkonzern – für schuldig bekennen und käme mit einer Bewährungsstrafe, einhergehend mit gemeinnütziger Arbeit, davon.
Das wäre ein ausgesprochen mildes Urteil, versehen allerdings mit einem Haken. Denn der Generalstaatsanwalt stellte ebenso klar, dass er auf die Einstufung der Taten als „moralisch verwerflich“ keinesfalls verzichten wolle. Eine Klausel, die nach israelischem Recht eine siebenjährige Sperre für politische Ämter nach sich zieht und somit die Karriere des 72-jährigen Netanjahu faktisch beenden würde. Das will „Bibi“ unbedingt vermeiden.
Kaum sickerte am Montagabend (17.01.2022) durch, Netanjahu wolle dem Deal „grünes Licht“ geben, folgte das Dementi seiner Anwälte. Hinter diesem „doppelten Spiel“ vermutete nicht nur „Maariv“-Kommentator Ben Caspit taktische Finessen, um die Tür für „Bibis“ Comeback offen zu halten.
Ein Prozessdeal birgt aber auch für Netanjahus Gegner, die Acht-Parteien-Regierung unter Naftali Bennett und Jair Lapid, politische Sprengkraft. Nicht umsonst wird sie Anti-„Bibi“-Koalition genannt. Netanjahu ist gewissermaßen der Klebstoff, der ihre gegensätzlichen Kräfte aus dem Rechts-Mitte-Links-Spektrum zusammenhält. Sollte er abtreten, stünde den Strammrechten um Bennett der Weg frei, sich mit dessen Likud zu einer Rechtsregierung zu verbünden.