Immer mehr Zweit- und Drittjobs – ein Indikator für Deutschlands Verarmung?
Die Welt
Noch nie war die Zahl der Mehrfachbeschäftigten so hoch wie heute. Sozialverbände wittern soziale Missstände und fordern ein Verbot von Minijobs. Doch die Entwicklung ist komplexer – manche profitieren sogar von den Regelungen.
Noch nie hatten so viele Menschen in Deutschland mehr als einen Job parallel. Im dritten Quartal dieses Jahres zählt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 4,29 Millionen Mehrfachbeschäftigte. Das entspricht fast zehn Prozent aller Erwerbstätigen. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 waren es knapp 2,9 Millionen Menschen, 2000 weniger als 1,7 Millionen. Vordergründig scheint für viele klar zu sein: aus der finanziellen Not heraus sind immer mehr Arbeitnehmer auf eine zweite Stelle angewiesen, das Gehalt eines Jobs reicht ihnen nicht zum Leben.
„Es gibt zunehmend Menschen, die offenbar von ihrem Hauptjob die steigenden Lebenshaltungskosten nicht bestreiten können“, heißt es beim Sozialverband Deutschland (SoVD) auf Nachfrage. Die hohe Inflation werde für einen weiteren Anstieg sorgen. „Wer mehreren Beschäftigungen nachgeht, versucht oft, sich mit mehreren schlecht bezahlten Minijobs über Wasser zu halten“, sagt Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK, gegenüber WELT.