Hinsehen und achtsam sein
Frankfurter Rundschau
Die größte Gefahr für eine Frau geht nicht von Fremden aus, sondern vom Partner oder Ex-Partner, doch dagegen vorzugehen sind wir nicht bereit
So groß die Aufregung um erschreckende Einzelfälle ist, so desinteressiert reagieren wir auf die schockierende Alltäglichkeit der Gewalt. Die größere Gefahr für eine Frau geht nicht von Fremden aus – sondern vom Partner oder Ex-Partner. Das zeigen neueste Zahlen: Tendenz steigend.
Doch dagegen vorzugehen sind wir nicht bereit. Wie sonst wäre es möglich, dass noch immer alle drei Tage eine Frau von ihrem Mann, Freund oder Ex umgebracht wird? Dass statistisch jeder von uns mindestens eine Frau kennt, die vom Partner geschlagen wurde? Die Gewalt spielt sich daheim ab, im Privaten, also Verborgenen. Ausgerechnet dort, wo man geborgen sein sollte – und wo es kaum jemand merkt. Das heißt zugleich: Die wahre Zahl ist vielfach höher.
Allzu oft schweigen Opfer, suchen keine Hilfe. Weil in unserer aufgeklärten Gesellschaft das Thema mit Scham behaftet ist – für das Opfer. Weil „männliches“ zu oft aggressives Verhalten meint. Weil Frauen wegen wirtschaftlicher Abhängigkeit noch zu oft die Flucht scheuen. Und weil die Täter sich darauf verlassen können, dass Zeugen wegsehen oder sich dumm stellen.