
Grenz-Krise in Belarus: Lukaschenko kritisiert Deutschland – „Ihr habt diese Menschen eingeladen“
Frankfurter Rundschau
Der belarussische Diktator Lukaschenko kritisiert nach einem Telefonat mit Angela Merkel die deutsche Außenpolitik.
Minsk – Alexander Lukaschenko hat einen Plan. Davon ist zumindest Juri Karajew überzeugt. Wie es weitergehe im Grenzkonflikt mit Polen, darüber werde in Belarus „auf höchster Ebene entschieden“, sagt der Generalleutnant. Also von Lukaschenko. Und an dessen Entscheidungen zweifelt Karajew nicht. Der 55-Jährige hat im Sicherheitsapparat Karriere gemacht. Er stieg sogar zum Innenminister auf und war operativ verantwortlich für die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung nach der Präsidentschaftswahl 2020. Später belegten geheime Gesprächsmitschnitte von Aussteigern, wie der Minister die Einheiten der Sonderpolizei Omon zur Brutalität anstachelte: „Findet diese Kreaturen und tötet sie.“
Heute ist Karajew Beauftragter des Präsidenten für die Region Grodno an der Grenze zu Polen. Seinen Ministerposten musste er im Herbst 2020 räumen. Damals klang das nach Degradierung. Inzwischen jedoch wirkt es eher so, als habe Lukaschenko schon vor einem Jahr geplant, die Grenzgebiete zu den EU-Staaten Polen und Litauen zu neuen Hotspots seiner Außenpolitik zu machen. Zu einer Krisenregion, in der es Männer fürs Grobe braucht. Leute wie Karajew. Viel spricht dafür, dass der Generalleutnant eine zentrale Rolle in dem „hybriden Krieg gegen die EU“ spielt, von dem in Warschau, Brüssel und Berlin die Rede ist. Mit den bekannten Folgen: Menschen, die sich im Irak oder Syrien auf den Weg gemacht haben, um über Minsk in die EU einzureisen, berichteten von Prügel, Raub und staatlich organisiertem Schleusertum.
„Lukaschenkos Plan war es, die EU zu Verhandlungen zu zwingen“, sagt der aus Minsk stammende Politikwissenschaftler Waleri Karbalewitsch, der im Exil lebt. Es sei um Anerkennung gegangen, und dieses Ziel habe Lukaschenko erreicht. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel habe mit ihm telefoniert. Karbalewitsch kritisiert die Gespräche als besseren Basarhandel: „Was hat die EU denn erreicht? Bislang wurden nur ein paar Lager geschaffen.“ Tatsächlich haben Karajews Leute nach den Merkel-Telefonaten in der Grenzregion provisorische Unterkünfte errichtet. Rund 2000 Menschen harren in einem Logistikzentrum aus. In dieser Kulisse stellt sich Karajew vor die Mikrofone und erklärt: „Deutschland hat diese Menschen eingeladen, und wir kümmern uns um sie.“













