Gar nichts ist gut!
Süddeutsche Zeitung
Der Ausdruck "Alles gut" vereitelt jede Chance auf Nähe und ehrliches Miteinander. Höchste Zeit, sich die Beschwichtigungsfloskel wieder abzugewöhnen.
Der Alltag des gemeinen Großstädters muss das reinste Paradies sein. Wo man hinhört: Alles gut! Vermutlich wird man deshalb auch nicht mehr gefragt, wie es einem geht. Sondern aufgefordert, in den Chor der Gutgelaunten einzustimmen. Das geht morgens los, wenn der Chef den Kopf zum Zimmer reinstreckt und grüßt: "Alles gut?" Wie einen dieser Mensch anschaut, so dynamisch und erwartungsvoll, braucht man gar nicht erst in Erwägung zu ziehen, ob man den Deckel aufmachen soll: Kind krank, Vater Demenz-Diagnose, Handy kaputt. Also liefert man ordnungsgemäß ab und antwortet: "Alles gut! - Und selbst?" "Alles prima!", bekommt man noch zu hören, bevor die Stimme auf dem Gang verhallt.