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Görlach Global: Ist Chinas Null-COVID-Strategie gescheitert?

Görlach Global: Ist Chinas Null-COVID-Strategie gescheitert?

DW
Tuesday, July 05, 2022 02:14:18 PM UTC

Shanghai ist noch nicht lange aus seinem Lockdown befreit und schon droht die nächste Corona-Welle Teile der Volksrepublik lahm zu legen und die zarte Erholung der Wirtschaft zu torpedieren, schreibt Alexander Görlach.

In der östlich gelegenen Provinz Anhui im Si County wurden über das Wochenende tausend Corona-Fälle registriert. Si County liegt mit dem Auto etwa fünf Stunden westlich von Shanghai; wer von der Hafenmetropole nach Anhui fahren möchte, kommt dabei durch die Provinz Jiangsu. Auch dort steigen die Fallzahlen langsam, aber deutlich. Die Behörden sind alarmiert: am Samstag verordneten die Behörden 760 000 Einwohnern von Si County einen lockdown. Im südlich von Shanghai gelegenen Yiwu wiederum, dem größten Christbaum-Exporteur der Volksrepublik, wurden vorsorglich Flüge nach Peking gestrichen, nachdem neue COVID-19-Fälle bekannt wurden. 

Europäern sagen die Namen Anhui, Jiangsu und Yiwu wenig. Diese Städte sind aber für den Welthandel überlebenswichtig: so werden über 35 Prozent der weltweit verwendeten Solarpanels in Jiangsu produziert. Des Weiteren werden wichtige Chipkomponenten und Solarzellen dort hergestellt. Insgesamt ist diese Region, das Yangtze Flussdelta so etwas wie die Herzkammer der chinesischen Wirtschaft, die sich nur langsam von den Corona-Strapazen erholt. Diese werden den Menschen vor allem durch die Null-COVID-Strategie Xi Jinpings abverlangt.

Der chinesische Führer hatte erst jüngst bekräftigt, an seiner, auch in der kommunistischen Partei nicht unumstrittenen, Politik festhalten zu wollen. Demnach werden in der Volksrepublik Wohnblocks, Straßen und Stadtviertel je nach der Anzahl neuer Corona-Fälle gesperrt, die Bewohnerinnen müssen sich täglich testen lassen, Infizierte werden von ihren Familien getrennt. 

Xi Jinping hält an diesen Maßnahmen fest, da es bislang in China keinen wirksamen Impfstoff gegen Corona gibt. Die Kommunistische Führung lehnt es ab, wirksame Impfstoffe aus dem Ausland einzukaufen, da sie selbst das Gerücht in die Welt gesetzt hat, die Amerikaner hätten die Pandemie nach China gebracht. Nun amerikanische Impfstoffe kaufen zu müssen, käme für Xi einem großen Gesichtsverlust gleich. Offiziell ist der Biontech/Pfizer-Impfstoff immer noch im Prüfungsverfahren. Das Magazin "Nature" veröffentlichte Ende Juni einen Artikel wonach ein mRNA-Impfstoff womöglich in der Volksrepublik vor dem Durchbruch stehen könne. Das würde dem von der Null-COVID-Strategie ausgezehrten Land etwas Luft verschaffen, sollte es halten, was es jetzt zu versprechen scheint. Zeit würde es, auch aus einem anderen Grund: Alleine in Shanghai sind aufgrund des täglichen Testens hunderttausender Menschen im Juni nach Angaben des Magazins SPIEGEL 68 500 Tonnen medizinische Abfälle angefallen.  

Für Machthaber Xi sind das alles keine guten Nachrichten. Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 18,4 Prozent auf einem Hoch wie schon lange nicht mehr, die Weltbank korrigiert Chinas eigene Wachstumsprognose aufgrund der Pandemie auf 4,4 Prozent nach unten. Im Herbst wird der XX. Parteikongress tagen, auf dem sich Xi zum unumschränkten Herrscher ausrufen lassen möchte. Seit den Verheerungen, die Mao in China angerichtet hat, durften Präsidenten nur noch zwei Perioden, maximal zehn Jahre, im Amt bleiben. Xi möchte das ändern, um China, womöglich bis zu seinem Tode, totalitär zu lenken. Er wird sich dabei vor allem auf die Notwendigkeit berufen, der Pandemie weiter die Stirne bieten zu müssen. Niemand erwartet eine Palastrevolution, auch nicht angesichts der steigenden Unzufriedenheit im Land, das Kritiker im Internet aufgrund von Xis Politikstil und Gleichschaltungswahn nur noch "Westkorea" nennen. 

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