Erdbebengefahr im Iran: Katastrophe mit Ansage?
DW
Iraner verfolgen die Erdbebenkatastrophe in Syrien und in der Türkei mit Empathie, aber auch mit Sorge: Auch im Iran haben die Behörden kaum etwas aus den verheerenden Beben der Vergangenheit gelernt.
Die Nachrichten über die Erdbebenkatastrophe in Syrien und in der Türkei bewegen viele Menschen im Iran. Die Türkei gehört zu den wenigen Länder der Welt, in die Iraner ohne Visum einreisen können. Mindestens eine halbe Millionen Iraner leben dauerhaft in dem Nachbarland. Und viele Iraner fühlen mit den Opfern und Hinterbliebenen.
Die Menschen im Iran kennen Erdbebenkatastrophen aus eigenen Erfahrungen. Wie die Türkei gehört auch der Iran zu den am meisten von Erdstößen gefährdeten Ländern der Welt. Jetzt liegt wieder Angst in der Luft. In den staatlichen Medien warnen Experten vor apokalyptischen Szenen der Zerstörung in der dicht bebauten Hauptstadt Teheran mit ihren mehr als 15 Millionen Einwohnern. In der Erdkruste unter Teheran verlaufen mehrere geologische Bruchlinien.
"Sowohl im Iran wie auch in der Türkei gibt es sehr moderne und fortschrittliche Erdbebennormen - auf dem Papier", schreibt Hamid Sadegh-Azar auf Nachfrage der DW. Der Professor für Baustatik und Baudynamik von der Technischen Universität Kaiserslautern-Landau fügt hinzu: "Das wesentliche Problem ist meist die Nichtbeachtung der Erdbebenvorschriften. Um ein Bauwerk erdbebensicher zu machen, muss man bei der Planung und beim Bau auf viele kleine Details achten und diese auch korrekt ausführen und umsetzen. Gebaut wird im Iran oder in der Türkei meist mit ungeschulten Arbeitskräften. Wenn dann auch noch die Bauüberwachung nachlässig, unwissend oder korrupt ist, wird am Ende kaum ein erdbebensicheres Bauwerk entstehen."
In der Türkei wurden inzwischen zahlreiche Bauunternehmer festgenommen. Sie sollen bei eingestürzten Gebäuden die Leitung innegehabt haben. Ein Unternehmer, der für die Bauleitung zahlreicher eingestürzter Gebäude in Adiyaman verantwortlich gewesen sein soll, sei mit seiner Ehefrau am Istanbuler Flughafen festgenommen worden, meldete die Nachrichtenagentur DHA. Die beiden hätten sich mit einer großen Menge Bargeld nach Georgien absetzen wollen.
"Unternehmen und Investoren wollen möglichst viel sparen und ihre Kosten reduzieren", berichtet Roozbeh Eskandari im Gespräch mit der DW. Eskandari war knapp zehn Jahre lang als Bauinspektor in der iranischen Hauptstadt Teheran tätig. "Vor allem bei den Hochhäusern ist die Fassade und alles, was man auf den ersten Blick wahrnimmt, leider wichtiger als das Investieren in die Bausubstanz. Die Investoren bestechen die Behörden und halten sich nicht an die Regeln. Oder die Behörden sind selbst Inhaber oder Teilinhaber des Gebäudes. Dann lassen sie viel mehr zu als das, was erlaubt ist, zum Beispiel ein paar zusätzliche Stockwerke. Ein Beispiel dafür im Iran war das Metropol-Hochhaus in der Stadt Abadan im Südwesten des Iran, das im Mai 2022 einfach eingestürzt ist."