Eisenbahnunglück in Griechenland: Eine Katastrophe mit Ansage
DW
Es ist das schwerste Zugunglück in der Geschichte Griechenlands mit mindestens 47 Toten. Wie konnte es dazu kommen? Eins ist sicher: Niemand kann mehr den schlechten Zustand der griechischen Bahn ignorieren.
Ganz Griechenland steht unter Schock. Mit so einem schweren Zugunglück hatte niemand gerechnet. Die Fahrgäste der Hellenic Train sind auf Verspätungen, auf Ersatzverkehr mit Bussen und manchmal sogar auf kleinere Entgleisungen eingestellt, nicht aber auf eine solche Katastrophe. Und doch war das Unglück eigentlich vorhersehbar, denn der Zustand des Schienenverkehrs in Griechenland ist dürftig.
Mit Ausnahme der Verbindung zwischen Athen und Thessaloniki und der S- Bahn im Großraum Athen existiert praktisch kein moderner Bahnverkehr in Griechenland. Charilaos Trikoupis war der letzte Regierungschef, der sich für die Eisenbahn in Griechenland interessierte. Er regierte von 1875 bis 1895 und wäre im Jahr 2023 sicher nicht stolz auf seine Nachfolger.
Im Moment gibt es zwischen den zwei Großstädten des Landes, Athen und Thessaloniki, sieben Zugverbindungen pro Tag. Die schnellste dauert vier Stunden. Mit dem Auto legt man die Strecke in fünf Stunden zurück. Nach halb acht am Abend gibt es keine Verbindung mehr, die Alternativen für die Fahrgäste sind dann nur Flugzeuge oder Busse.
Für die Menschen, die weder in Athen noch in Thessaloniki wohnen und andere Reisepläne haben, ist die Bahn gar keine Option. Entweder, weil nie Gleise verlegt wurden, wie zum Beispiel auf der Mittelmeerinsel Kreta, oder weil existierende Gleise stillgelegt wurden, wie auf der Halbinsel Peloponnes. Wo es Zugverbindungen gibt, dauert die Bahnfahrt so lange, dass sie sich nicht lohnt. Von Thessaloniki in die 120 Kilometer entfernte Stadt Drama z.B. braucht man mit dem Bus zwei Stunden, mit dem Zug vier. Und diese Strecke wird mit der Bahn nur einmal pro Tag befahren.
Seit der Regierungszeit von Ministerpräsident und Bahnförderer Trikoupis sind Investitionen in die Eisenbahn-Infrastruktur keine Priorität mehr für die griechischen Regierungen. Stattdessen werden Autobahnen gebaut. Die Lobby der privaten Bus-Genossenschaften (KTEL), die Straßenbauunternehmer und die Autoimporteure - in Griechenland werden nicht mal Mopeds produziert - haben sich durchgesetzt.