Edita Gruberova ist tot – Die Entflatterte
Frankfurter Rundschau
Die Sopranistin Edita Gruberova ist 74-jährig gestorben – eine, nein: die Legende des Belcanto.
Rieselnde Rosenblätter von oben, Blumensträuße von vorne, dazu eine Applauskulisse über 50 Minuten hinweg: Am 27. März 2019 hatte die Sopranistin Edita Gruberova ihre Opernkarriere beendet, mit ihrer Paraderolle der Königin Elisabetta in Donizettis Oper „Roberto Devereux“. Und zwar auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper in München, ihrer Heimatbühne, auch wenn sie sich in den letzten Jahren dort von der Intendanz nicht mehr genug geschätzt gefühlt hatte. Gut 50 Minuten Jubel für gut 50 Jahre Operngesang – Edita Gruberova wurde als lebende Legende gefeiert, sie hatte gerade in München einen absoluten Kultstatus. Zweieinhalb Jahre später ist die Königin der Koloraturen in ihrer Schweizer Wahlheimat gestorben, mit 74 Jahren.
Die 1946 in der heutigen Slowakei geborene Sängerin war die ideale Zerbinetta, 100 Mal sang sie diese so anspruchsvolle Strauss-Partie alleine in Wien. Sicher 150 Mal stand sie als Königin der Nacht auf den Bühnen, hier war sie so unerreicht wie als Lucia di Lammermoor, 200 Vorstellungen widmete sie allein dieser wohl bekanntesten Belcanto-Partie. Überhaupt, Belcanto war ihr Fach, sie setzte sich bis zuletzt dafür ein, dass mehrere noch vor einigen Jahrzehnten ziemlich unbekannte Opern Donizettis und Bellinis wieder aufgeführt wurden, wie zum Beispiel „Maria Stuarda“, „Beatrice di Tenda“, „Anna Bolena“, „Roberto Devereux“ oder „Linda di Chamounix“. Oder noch 2015 Bellinis „La straniera“.
Zu Beginn ihrer Karriere war unter anderem auch Mozart ihr Zuhause, „ich habe ihn wahnsinnig gerne gesungen – vor allem auch mit Harnoncourt, da habe ich viel Neues gelernt“, so Edita Gruberova 2012 im FR-Interview. Doch sie wusste auch: „Mozart ist überhaupt immer das Schwierigste.“ Nikolaus Harnoncourt jedenfalls bedauerte ihren zunehmenden Mozart-Verzicht. „Sie ist entflattert im Belcanto. Ich stehe am Boden, sehe sie da ganz oben und sage: Komm heim zu Mozart.“ Denn auch er schätzte Gruberova nicht nur, aber auch wegen ihrer einzigartig beweglichen Stimme. Sie sei die „heute wahrscheinlich einzige Sängerin, die Koloraturen nicht als Sport betreibt, sondern als Ausdrucksmittel“.