Dhafer Youssef: Beinahe schon überirdisch
Frankfurter Rundschau
Der tunesische Sänger Dhafer Youssef bei der hr-Bigband - und zurückgekehrt ist zum Streaming.
Trennlinien kennt Dhafer Youssef keine. Der tunesische Oudspieler und Sänger bewegt sich in einem heutig-okzidentalen Umfeld zwischen Jazz und ambienthafter Elektronik; er hat mit den unterschiedlichsten Musikern zusammengearbeitet, darunter die Norweger Bugge Wesseltoft, Arve Henriksen, Nils Petter Molvaer und Eivind Aarset und auch der legendäre indische Perkussionist Zakir Hussain.
Zum Konzert mit der hr-Bigband, die erneut auf Streamingmodus umgestellt hat, hat Youssef den spanischen Pianisten Daniel Garcia mitgebracht. Die eleganten Arrangements des Schweden Magnus Lindgren – als Dirigent musste er krankheitsbedingt absagen, eingesprungen ist Jörg Achim Keller – lassen diesem Duo beträchtlichen Raum für Momente kammermusikalischer Intimität.
Etliche der Stücke, sämtlich Kompositionen Youssefs, der 1967 in der Provinzstadt Téboulba geboren wurde und nach Stationen in Graz und Wien heute in Paris lebt, beginnen mit unbegleiteten Duettpassagen. Kommt die Band ins Spiel, bleiben die Arrangements zumindest in den windstillen Teilen des Abends diskret, mit Bläsern in gedeckten Farben.
Von außergewöhnlicher Strahlkraft in gedämpftem Ton ist der seelenvoll-spirituelle Gesang Youssefs, er ist geprägt von langgezogenen Tönen und arabischen Melismen. Youssefs Musik ist in der Tradition des Maghreb verwurzelt und zugleich über sie erhoben. Einflüsse vor allem auch der indischen Gesangskultur sind offenbar. Die dynamische Spanne reicht von einer dunkel timbrierten Baritonlage bis zum dramatischen Lamento in sich immer höher und höher schraubenden Tönen.
Er wolle, so hat Youssef einmal sein künstlerisches Credo formuliert, Schönheit erzeugen. Mit seinem Gesang gelingt ihm das in einer beinahe schon überirdischen Weise, freilich auch hart an der Kitschgrenze.