Corona-Proteste in Kanada: Ottawa ruft den Notstand aus
Frankfurter Rundschau
Seit zehn Tagen blockieren Protestierende gegen die Corona-Maßnahmen die kanadische Hauptstadt, veranstalten Hupkonzerte und zünden Pyrotechnik.
Ottawa – Was Ende Januar als Protest kanadischer Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer begann*, die zunächst die Impfpflicht an der US-kanadischen Grenze beklagten, ist nun zu einer ausdauernden Großdemonstration gegen Corona-Einschränkungen* geworden. Seit Tagen legen Demonstrierende in Lkws, bei Sitzstreiks und Protestmärschen die Stadt lahm - deren Bürgermeister Jim Watson hat am Sonntag (06.02.2022) den Notstand ausgerufen.
Mit dieser Maßnahme und dem Anfordern zusätzlicher Polizeikräfte will Watson einer Situation nun Herr werden, die, wie der Bürgermeister betonte, „völlig außer Kontrolle“ geraten sei. Er sagte, es seien weit mehr Demonstranten vor Ort, als Polizeibeamte zur Verfügung ständen. „Wir sind eindeutig in der Unterzahl und verlieren diesen Kampf“, sagte er dem Radiosender CFRA. Um das blockierte Stadtzentrum „zurückzuerobern“, forderte er die „Unterstützung anderer Gerichtsbarkeiten und Regierungsebenen“.
Auch am Wochenende (05./06.02.2022) kamen wieder tausende Menschen in die kanadische Hauptstadt, um ihren Unmut gegenüber der geltenden Corona-Maßnahmen zu verkünden. In Sprechchören und auf Bannern forderten sie ein Ende der „Segregation“, also der gesellschaftlichen Ungleichbehandlung Ungeimpfter, und die Rückkehr in eine „Freiheit“ ohne Regeln oder Maßnahmen. Dabei blockierten die Demonstrierenden nicht nur die Straßen der Innenstadt, sondern veranstalteten auch Hupkonzerte, und belästigten und beschimpften Anwohnerinnen und Anwohner.
Watson bezeichnete die Trucker als „unsensibel“, da sie „daraus eine Party machen“. Die britische Tageszeitung The Guardian berichtet über ein Feuerwerk auf dem Gelände des National War Memorial, bei dem auch Menschen mit Hakenkreuzflaggen teilgenommen hätten sowie über kleinere Proteste in Kanadas größter Stadt Toronto.
Kritik an den Protesten richtete sich zuletzt nicht nur in Richtung der Demonstrierenden selbst, sondern auch gegen Einflüsse aus den USA*, die sich auch bei den Protesten am Wochenende in Form von Trump-Fahnen zeigten. Dazu schrieb etwa der ehemalige US-Botschafter in Kanada, Bruce Heyman, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, Kanada erfahre derzeit einen Eingriff radikaler Kräfte der US-Politik. Donald Trump* und seine Gefolgschaft seien „nicht nur eine Gefahr für die USA, sondern für alle Demokratien“.